Schlagwort: Kurzgeschichte

  • Überlandexpress

    Eine Kurzgeschichte im Shadowrun-Universum von Peter Groth. Alle Rechte bleiben beim Urheber.

    Vorwort

    Die Idee zu dieser Geschichte kam mir, als ich das wunderbare Buch „Nachtmeisters Erben“ von Bern Perplies las.
    Link zum Buch Nachtmeisters Erben auf Shadowrun6.de

    Der Überlandexpress hat mir sofort gefallen und ich wollte ihn in „meine Hood“ rund um Shadowrun Kiel einbauen.

    Wie immer überraschten mit die Protagonisten mit ihren Handlungen …

    Viel Spaß mit der Geschichte.

    Ein Beinahe-Unfall 

    “Dann machs gut, Karl. Bis morgen.” 

    “Bis morgen, Freddy. Und häng nicht wieder die ganze Nacht in der Matrix rum!” 

    Zwinkernd verabschiedeten sich die Freunde, wohl wissend, dass Freddy bis zum Umfallen unterwegs sein würde. 

    Karl nutzte zwar auch die Vorteile der Matrix, doch schätzte er das reale Leben mehr. Nun, immerhin saß er nicht im Rollstuhl und sein Leben war dadurch deutlich mobiler und flexibler. 

    Gedankenverloren trat er durch die Haustür auf die Straße und blickte sich kaum um. Mal wieder heulte irgendwo ein Motor auf, er achtete nicht darauf und war in Gedanken bei dem Rest der Hausaufgaben und bei Inge. Naja, hauptsächlich waren seine Gedanken bei Inge und sein Magen wurde warm. 

    Um urplötzlich sich wie von einer Orkhand gepresst zusammenzuziehen. Ein Wagen war herangerauscht und hielt mit quietschenden Reifen äußerst knapp vor ihm. 

    Karl hielt die Luft an und starrte mit vor Schreck geweiteten Augen auf den Wagen, ein Volkswagen Superkombi IV mit seltsamen Lack, dessen Stoßstange seine Hose berührte. 

    Der Fahrer sprang aus dem Wagen. “Drek! Junge! Dass hätte ins Auge gehen können!” 

    Mit gerötetem Gesicht kam er auf ihn zu. Immer noch blass vor Schreck, starrte Karl den Mann vor sich an. Er trug eine Cargohose, Stiefel, eine Weste über einem Langarm-Shirt und ein Basecap mit dem Logo “Überlandexpress”. 

    “Jung, alles gut bei dir? Alles noch heile?” 

    Kurz schloss Karl die Augen, schüttelte sich, um dann zögerlich zu nicken. 

    “Da bin ich froh, wirklich, Mann. Haben schon genug Är…” 

    “Lass gut sein, Strolch. Hauptsache, dem Kleinen geht es gut. Lass uns weitersuchen.” fiel seine Beifahrerin ihm ins Wort. 

    “Ja, klar. Sorry, nochmals, tut mir echt leid.” Der Fahrer drehte sich wieder zum Wagen, um dann innezuhalten. 

    “Sag mal, Junge, kennst du dich hier aus?” 

    “Äh, klar.” Karl war unsicher, was er darauf antworten sollte. Gerade hatte er die unauffällig auffällige Beule knapp oberhalb der Hüfte des Mannes entdeckt. 

    “Gut, wir suchen nämlich einen Parkplatz, verstehst du? Für den Tag, zum auspennen und so.” Das Gesicht des Mannes sprach Bände. 

    Karl schaute den Mann verwirrt an. “Am Tag? Auspennen?” 

    “Klar, Junge. Wir sind vom Überlandexpress.” Er tippte auf sein Basecap. 

    “Kenne ich nicht.” 

    “Echt nicht? Na, macht nichts. Und wir suchen was, um … uns etwas zu erholen. Sag mal,” er schaute neugierig auf Karls Koffer. “Ist da eine Drohne drin?” 

    Inzwischen hatte der junge Rigger sich wieder gefasst und gewann seine Sicherheit zurück. Und schon gar nicht wollte er sich, nachdem er fast umgefahren worden wäre, nun beklauen lassen. Also hielt er den Koffer fester und trat einen Schritt zurück. 

    “Ja, warum?” Karl sprach deutlich sicherer als eben noch und fühlte sich längst noch nicht so, wie er zu klingen hoffte. 

    Der Mann vor ihm lächelte. “Dann könnten wir deine Hilfe gebrauchen.” 

    Der Junge vor ihm legte den Kopf schief und fragte: “Und das heißt was?” 

    “Ich möchte einen unauffälligen Rundumblick und wissen, wer oder was hier so herumfährt. Verstehst du?” 

    “Zum Teil, ja. Sie befinden sich hier in Kiel, wie Sie hoffentlich wissen. In einem Stadtteil, wo gerade der morgendliche Wochenendverkehr beginnt und dem Verkehr nach ist gerade eine der Fähren aus dem Skandinavischem Bund angekommen und hat allerhand Fahrzeuge ausgespuckt. Ihres auch?” 

    “Cleveres Kerlchen. Muss ich schon sagen.” Der Mann nickte anerkennend und fuhr sich durch das kurze Haar. 

    “Was soll ich suchen? Was zahlen Sie?” 

    “Hoi! Da kommt er gleich zur Sache. Du gefällst mir.” Der Mann lachte freundlich und Karl hatte einen guten Eindruck. “Kannst du für die nächste halbe Stunde nach schwarzen Geländewagen Ausschau halten? Wir suchen derweil einen Parkplatz und einen Schlafplatz für den Tag.” 

    “Warten Sie kurz! Ich schicke Dobby los und dann habe ich vielleicht, was Sie suchen.” 

    Verwundert schaute der Mann ihn an und wandte sich seiner Partnerin zu, als Karl sich nicht weiter um ihn kümmerte und auf einem schmalen Rasenstück neben dem Bürgersteig seine Drohne startklar machte. Dobby hob surrend ab und Karl schickte ihm einen vorbereiteten Auftrag hinterher. Nebenbei sandte er Freddy eine Nachricht: 

    “Recherche: Überlandexpress, JETZT!” 

    “So, nun zu Ihnen.” 

    Der junge Rigger schaute abwechselnd auf seine Fernbedienung und auf den Fahrer. “Aktuell scheint kein schwarzer Geländewagen in der Nähe zu sein. Wegen einer Unterkunft weiß ich, wen wir fragen. Parken Sie dort unter dem Baum hinter dem Van! Ich bin gleich wieder da.” 

    Kopfschüttelnd sah der Mann den Jungen in einem Fischladen verschwinden. Dort begrüßte er eine etwa fünfzigjährige Frau hinter dem Tresen und redete mit ihr. Beide guckten immer wieder auf den Fahrer. Erst schien die Frau zu zögern, dann erhellte sich ihr Gesicht etwas und sie nickte deutlich. Der Junge schien gehen zu wollen, da hielt sie ihn auf und sagte noch etwas. Daraufhin schien der Junge sich zu freuen und eilte nach draußen zu dem parkenden Wagen. 

    “Ich hätte eine Unterkunft für Sie beide und einen sicheren Parkplatz für den Tag.” 

    “Was hast du?” Die Frau und der Mann starrten den Jungen, der grinsend durch das offene Fenster in den Wagen schaute, ungläubig an. Die Frau, dass konnte Karl nun erkennen, war ähnlich robust gekleidet wieder Mann. Cargohose, Stiefel, Weste mit vermutlich einer Pistole über der Hüfte und dem Basecap mit dem Logo. 

    “Wer zur Hölle bist du?” 

    “Och, nur ein Junge aus der Nachbarschaft.” 

    “Schon klar. Was kosteten die Unterkünfte?” 

    “Je Hundert Euro und 50 Euro für die halbe Stunde mit, Moment! Dobby meldet sich.” 

    Karl schaute auf sein Bedienteil und zeigte dann das Display den beiden im Wagen. 

    “Hier sind wir, dort, das ist ein schwarzer Geländewagen.” 

    “Drek! Wo ist die Garage, Junge?” 

    “Folgen Sie mir! Ich gehe vor.” Dobby landete wieder und Karl packte alles ein. 

    Freddy schickte ihm eine Nachricht: 

     “Überlandexpress, der.

    Kurier- und Taxidienst in der ADL. Befördert “Pakete” brisanten Inhaltes oder Personen, die eine diskrete Beförderung brauchen. Grauer bis Schwarzer Bereich der Legalität. Regeln: Immer zu zweit fahren. Was, wann, wohin, wie viel und keine weiteren Fragen! Nur Nebenstrecken nutzen! 

    Geleitet von Control. Control organisiert Aufträge, Unterstützung und Werkstätten gegen Provision. Weder der physikalische noch der virtuelle Standort ist bekannt. 

    Das ist die Kurzfassung. Mehr? Dann Daumen hoch. 

    Warum fragst du? Wegen des Wagens, der dich fast umgefahren hat? Pass auf dich auf! Die sind nicht ohne.” 

    Hansens Garage 

    Die Überraschung des Zweier-Teams im Wagen wurde noch größer, als sie nach sehr kurzer Fahrt durch ein alt und verrottet wirkendes Tor fuhren, um dann in einer Halle zu verschwinden, die voll mit Fischtanks war. 

    “Drek! Das ist ja Fisch!” rief der Fahrer aus. 

    “Japp. Und es ist kein Drek! Hansen, dem die Halle gehört, ist Fischer. Er hat eine der wenigen Lizenzen für die mageren Bestände. Und hier ist seine Fischreinigung.” 

    “Fischreinigung? Verarschst du mich? ” Die Frau schüttelt ungläubig den Kopf. 

    “Nope! Die Fische werden in der Ostsee lebend gefangen und hier einige Tage in sauberem Salzwasser untergebracht. Das ist zwar etwas aufwändig, doch, dem Geschmack und der Gesundheit hilft es.” 

    Dass es auch dem Preis sehr half und der Aufwand sich deswegen mehr als lohnte, verschwieg Karl. Wer es sich leisten konnte, kaufte gern echten Fisch. Der von Hansen einige Tage gereinigte Fisch genoss einen guten Ruf, was den Geschmack, die Konsistenz und vor allem die Vergiftung anging. Durch das Halten im Becken wurde sehr viel ausgeschieden. 

    “Da können Sie den Akku aufladen.” 

    “Danke. Krass. Und hier schlafen wir auch?” 

    Karl grinste breit. “Nein, Sie schlafen im Fischladen.”  

    “Dein Ernst, Junge? Im Fischladen? Ich mag keinen Fisch!” 

    Der Frau war anzusehen, dass sie es auch so meinte. 

    “Sie müssen ihn nicht essen. Sie sollen da nur untertauchen. Wenn ich Ihr Auftreten und Ihre Fragen und Wünsche richtig interpretiere, dann wollen Sie genau das.” 

    Die beiden nickten ernst und griffen erschreckt zu ihren Waffen, als es vor dem Tor hupte. 

    “Ah, dass ist Ihr Innenstadtexpress zum Fischladen”, lachte Karl und ließ das Tor herunterfahren. Die beiden mit je einem Koffer in der Hand kamen mit auf den Bürgersteig, wo Marita in einem Kleintransporter wartete. 

    “Alles Einsteigen, der Zug fährt gleich ab. Nächster Halt Lummerland Hauptbahnhof!” rief sie grinsend und zeigte mit dem Daumen über die Schulter. 

    Fassungslos den Kopf schüttelnd stiegen Karl und das kleine Team hinten ein. 

    “Ihr verarscht uns doch nicht, oder? Ich meine, ich hätte dich beinahe umgefahren und nun hilfst du uns. Ich bilde mir eine gute Menschenkenntnis ein und möchte dir und der Frau vorne vertrauen. Doch, warum machst du das?” 

    “Ich habe vom Überlandexpress gehört, im Gegensatz zu dem Bengel, den Sie fast umgefahren hätten. Hätten Sie es getan, wäre es Ihnen schlecht ergangen!” 

    Es war Marita anzusehen, dass es meinte, wie sie es sagte. Strolch schluckte. 

    “Er fand Ihren Wagen interessant, besonders den Lack und ich wollte erst ablehnen. Dann sagte Karl Überlandexpress und ich hab gedacht, dass es eine Gelegenheit ist, Kontakt dahin zu bekommen. Ich bin zwar nicht im … Transportgeschäft tätig, das machen andere. Ich vermittle Kontakte und andere Sachen. Dem jungen Kerl da hinten habe ich einige Aufträge vermitteln können. So, alles aussteigen! Lummerland Hauptbahnhof.” 

    Maritas Unterschlupf 

    Lachend stieg Marita aus und schob sie aus dem Wagen direkt in den Fischladen, jedem eine leere Kiste in die Hand drückend. 

    Sie schob das Paar am Tresen vorbei durch eine Tür, die mit einem dicken Plastikvorhang versperrt war. Sie waren in einem Kühlraum und es roch überall leicht nach Fisch und Meer. Marita drängte alle weiter nach hinten. Hier war es wärmer. Sie standen in einem einfachen Büro. 

    “So, Karl und ich schleppen noch ein zwei Mal die Kisten ins Auto und zurück. Dann haben alle vergessen, dass wir zu viert waren.” 

    Zuletzt kam Karl allein zurück. Marita parkte den Wagen im Hinterhof. Dass hatte den Vorteil, dass der Wagen dort geschützt war und nicht mehr den Blick auf die Straße versperrte. 

    Das war auch nötig. Ein schwarzer Geländewagen rollte langsam am Laden vorbei, als Marita gerade wieder mit einer Kiste den Laden betrat. 

    Die drei im Büro konnten alles auf einem Monitor sehen. Der Geländewagen fuhr weiter. 

    “Und nun ab in den Keller! Du nicht, Karl! Du bleibst hier oben. Du musst nicht alles wissen.” 

    “Och, Mann! Das ist unfair.” 

    Marita schickte ihn gnadenlos wieder in den Laden nach vorn, wo er den Verkäufer mimte. Das hatte er immer mal wieder gemacht, um sich Taschengeld zu verdienen. 

    Wenige Minuten später war Marita wieder bei ihm. Da ging die Ladentür auf und die Glocke an der Tür bimmelte fröhlich. 

    “Guten Tag, die Herren. Was darf es sein?” Freundlich und erwartungsfroh schaute Marita die beiden Männer an. Diese sahen nicht so aus, als wollten sie Fisch kaufen. 

    Beide hatten schwarze Hosen und schwarze Kampfstiefel an. Dazu trugen sie lange schwarze Mäntel, die mit Sicherheit gepanzert waren, vermutete Karl. Er tat so, als räume er gerade etwas Eis in eine Kiste. 

    “Soll ich noch Brötchen holen?” 

    “Nein, danke. Ich denke, es reicht für heute. Nun, was darf es sein?” 

    “Zwei Fischbrötchen.” Der Mann klang fast genervt. 

    Marita holte Luft: 

    “Zwei Fischbrötchen sagt er da. Wissen Sie, dass ist ein Fischladen mit Tradition. Hier gibt es nicht einfach Fischbrötchen. Wir haben Fischfrikadellen, Sauren Hering, sogar Krabben und heute gepfefferte Makrele. Was ganz Besonderes. Sind selten geworden. Mit oder im Brötchen.” 

    Der Mann knurrte etwas, was sie nicht verstanden und sagte dann grummelnd: 

    “Zwei Fischfrikadellen … bitte.” 

    “Sehr gern. Noch einen Soykaf dazu oder lieber ein Soybier?” 

    Marita reichte die Brötchen über den Tresen und kassierte. 

    Nachdem die beiden vorsichtig die ersten Bissen probiert hatten, hauten sie ordentlich rein und bestellten noch zwei Brötchen. 

    “Sind Sie schon den ganzen Tag im Laden?” fragte der Mann mit einer unangenehmen heiseren Stimme. 

    “Quasi, ja. Ab und an muss ich natürlich mal ins Lager oder was besorgen. Warum fragen Sie?” 

    Ohne zu zögern, hielt er ihr ein Tablet hin. “Die beiden suchen wir. Das hier ist ihr Wagen.” 

    “Oh, Detektive? Wie aufregend.” Marita zupfte sich die Haare zurecht und himmelte den Mann an. “Erzählen Sie mir mehr!” 

    Dass schien ihr gegenüber aus der Fassung zu bringen. “Äh, wie? Nein! Da gibt es nichts zu erzählen. Wir suchen die beiden. Fertig.” 

    “Hach, klingt das aufregend. Wie im Agenten-Trid. Wissen Sie, wir erleben hier ja nicht viel. Es ist immer sehr ruhig. Wobei neulich, müssen Sie wissen, da kam ein Krankenwagen ganz schön schnell angebraust.” 

    Karl musste sich ein Lachen verkneifen, als Marita den beiden Männern weitere Brötchen aufschwatzte und über ihr Leben hinterm Tresen erzählte. Aus Versehen ließ er einen Eimer mit Eis fallen und musste diesen nun aufwischen. 

    Bald verschwanden sie, sichtlich genervt, mit weiteren Brötchentüten in der Hand. 

    Als der Geländewagen wieder durch die Straße rollte, atmeten beide erleichtert auf. Karl wollte gerade losjubeln, da warnte Marita ihn mit einer Geste. Unruhig sah Karl, wie sie die Tische vor dem Tresen absuchte und auch die wenige Deko prüfte. 

    Dann winkte sie ihn ins Kühllager. 

    “Sie scheinen nichts zum Abhören angebracht zu haben.” flüsterte sie. 

    Karl machte große Augen. An sowas hatte er nicht gedacht und war froh, dass er Dobby hinten im Büro gelassen hatte. 

    Routenplanung 

    Die Frau kam den versteckten Kelleraufgang hoch. 

    “Wir haben alles mitbekommen. Das war knapp. Genau vor denen verstecken wir uns. Danke. Vielen Dank. Wenn die uns kriegen, dann hat hier niemand was zu lachen.” 

    “Den Eindruck machte der Detektiv auch. Solche Typen machen nur Ärger und leben davon.” Marita legte ein paar Brötchen zurecht. “Hier, ihr Lunchpaket. Wasser gibt es in der Toilette unten.” 

    “Sie sind toll! Übrigens, ich bin Susi, mein Chummer unten ist Strolch.” 

    “Freut mich. Mein Name ist Marita und der junge Mann hier heißt Karl und spielt lieber mit Drohnen als mit Fisch.” 

    Karl hustete während Susi lachte. “Das kann ich gut verstehen. Fisch ist auch nicht so meins. Wir kommen nicht aus dem Norden, wo alle Fisch mögen.” 

    “Ha-ha. Gerücht. Längst nicht alle NDBler mögen Fisch. Ich muss auch sagen, dass Fisch durch die Verseuchung sehr teuer geworden ist. Die meisten kaufen die Soy-Varianten. Ekelhaftes Zeugs.” 

    “Das glaube ich gern, Marita. Und nochmals Danke.” 

    “Und nun runter mit Ihnen! Bevor die nochmal wiederkommen.” 

    “Ja, gerne. Eine Frage noch. Haben Sie einen Tipp, wie Richtung Süden kommen, ohne die A 21 zu befahren?” 

    Marita und Karl schauten sich kurz an. Der Junge hob sein Tablet und rief eine Kartensoft auf. 

    “Naja, da geht schon was. Ist halt arg über Land. Die Landstraßen sind in der Probstei meist noch einigermaßen brauchbar. Alles darunter ist oft Buckelpiste. Viele Schlaglöcher. Sie können hier nach Osten raus.” Er zeigte die Strecke auf dem Bildschirm. 

    “Schönkirchen – Lilienthal – Preetz. Dann die B76 nach Plön. Plön ist sicher. Da gibt es ein Internat für magisch Begabte. Von da aus können Sie einen weiten Umweg nach Osten fahren und dann zurück nach Segeberg oder nördlich des Plöner See, dann nach Süden Richtung Bad Segeberg. Alles Dörfer und einfache Straßen. Zumindest laut der Kartensoft.” 

    “Die Gegend ist überwiegend einsam. Viele Dörfer sind nicht mehr bewohnt. Offiziell nicht bewohnt. Teilweise sind da Gangs oder irgendwas Erwachtes. Einige der kleineren Wälder, Teiche und Seen können erwacht sein. Ach, was rede ich! Der ganze Plöner See ist voller Erwachter Wesen. Die werden von den Leuten aus dem Internat im Zaum gehalten.” Marita holte Luft. “Aufpassen müssen Sie natürlich überall. Und auf die Straßen achten. Wo kein landwirtschaftlicher Betrieb mehr stattfindet, kann es auf den Straßen rau werden.” 

    “Verstehe. Danke. Wir planen das ein und werden Ihre Ratschläge beherzigen.” 

    “Ich verabschiede mich dann” rief Karl nach unten. “Ich fahre zum Praktikum aufs Land.” 

    “So ka. Danke, Karl, vielen Dank.” 

    Baumschule 

    Karl steuerte gerade voller Begeisterung die riesigen Landmaschinen von der Zentrale der Baumschule aus. Heinrich Sell, der Betriebsleiter, hatte ihm angeboten, für etwas Geld auszuhelfen. Karl konnte damit riggen, Erfahrungen sammeln und Geld verdienen zugleich. Er war glücklich. Inge begleitete ihn oft. Es war friedlicher auf dem Gut und ab und an begegnete sie einem freien Geist. 

    Karl zog gerade die Landmaschine in einer Kurve, er steuerte selbst, als die Audio-Sensoren ihm ein Quietschen und Rumpeln übertrugen. Er ließ die Maschine mit Autopilot den Rest der Arbeit machen und wechselte zu Dobby. Bald sah er die Ursache des Geräusches. Ein Wagen lag mit einem Reifen im Graben. Der Reifen sah nicht gut aus. Der Wagen kam ihm bekannt vor. 

    Ein Mann und eine Frau standen daneben und gestikulierten wild. 

    “Brauchen Sie Hilfe?” Erschreckt schauten die beiden vom Wagen auf die sich nähernde Drohne. Sie nickten zögerlich. 

    “Ach, Sie sind das! Gestern noch im Lummerland Hauptbahnhof, heute auf dem Gut. Karl hier. Der freundliche Nachbarsjunge.” 

    Die Gesichter entspannten sich sofort und die beiden winkten. 

    “So, wie das bei Ihnen aussieht” Karl flog eine Runde um den Wagen, “brauchen wir was zum Abschleppen. Ich kümmere mich darum. Bis gleich.” 

    Dobby flog davon und wenige Minuten später kam den beiden am Auto ein riesiger Traktor entgegen. Winkend saß Karl darauf und sprang runter, hängte ein Kabel an das Auto und zog den Wagen vorsichtig aus dem Graben. 

    Nach einem kurzen Blick meinte Karl: “Na, der muss in die Werkstatt. Ich habe schon mit Herrn Sell gesprochen. Der hat nichts gegen eine kleine Reparatur.” 

    “Karl, Alter! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.” 

    Beiden sah man an, dass sie sprachlos waren. Den Jungen aus Kiel hatten sie hier auf dem einsamen Land als letztes erwartet. 

    “Ach, passt schon. Setzt euch rein und lenkt vorsichtig mit. Ich schleppe euch ab.” 

    Der Reifen war so gebaut, dass er auch ohne Luft noch brauchbar fahren konnte. Natürlich nicht mit voller Geschwindigkeit. Da die Seitenteile was abbekommen hatten, war das Abschleppen das sicherste Vorgehen. 

    Bald standen sie vor der Werkstatt des Betriebes. Herr Sell kam auf die drei zu. 

    “Das ist Heinrich Sell, der Betriebsleiter und mein Chef hier. Herr Sell, das sind äh … Freunde von mir.” 

    Herr Sell schaute die beiden vor sich prüfend an. 

    “Freund? Der Überlandexpress? Du überraschst mich immer wieder, Karl.” 

    Skepsis sprach deutlich aus seinem Blick. 

    “Nun ja, die Werkstatt steht Ihnen zur Verfügung. Mein Mechaniker hilft Ihnen sicher gern. Er schraubt immer wieder für Freunde an Autos rum. Viel Erfolg.” 

    “Ah, äh, danke Ihnen.” 

    Bald war der Reifen abmontiert und wurde von einem Lehrling geflickt. Der Mechaniker kümmerte sich begeistert um den Kotflügel. 

    “Interessant. Verstärktes Material. Und der Lack, ist dass dieser neue Chamäleon-Lack? Faszinierend. Habe ich noch nie vor Augen gehabt. Sicher sehr teuer.” 

    So schwärmend wurde innerhalb kürzester Zeit der Schaden behoben. 

    Inge kam zu Karl und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sein Blick wurde ernst. Inge setzte sich und schloss die Augen. 

    “Inge meint, wir bekommen Besuch. Jemand mit aggressivem Fahrverhalten und hohem Tempo.” 

    “Verdammt! Dann sollten wir bald los. Und, woher weiß sie das?” rief Susi. 

    “Ganz einfach, der Wagen hat auf den letzten Kilometern eine Katze überfahren, einen Geist durcheinandergewirbelt und einen Schwarm Tauben verscheucht. Eine ist verletzt. Den Aufschrei haben meine Watcher und auch ich mitbekommen.” 

    Inge sah wütend aus. 

    “Oh, So ka. Drek! Dann müssen wir los. Was schulden wir euch?” 

    Karl winkte ab: “Mir gar nichts.” Zum Mechaniker schauend, antwortete dieser: 

    “Ach, leg einen Fuffi für das Material in die Kaffekasse und dann passt es. Der Strom ist umsonst. Wir haben hier reichlich Solarstrom und Windkraft. Es hat Spaß gemacht. Und den Überlandexpress kennenzulernen ist schon was, besonders hier draußen auf dem Land.” 

    “Karl, Junge! Du hast was gut bei uns. Danke, Chummer!” 

    “Gerne. Soll ich für eine Straßenblockade sorgen?” 

    “Dein Ernst? Willst du dich mit denen anlegen?” 

    “Nö, die sollten mich besser nicht sehen. Die könnten mich wiedererkennen. Aber so eine Landmaschine kann schon mal ausreißen, weil die Steuersoft einen Fehler hat.” 

    Als Susi und Strolch abgefahren waren, setzte sich Karl wieder in die Zentrale und schickte erst Dobby und dann eine der Landmaschinen los. Sie sollte eh zurückkommen und gegen einen Umweg über die Straße hatte Herr Sell sicher nichts einzuwenden. 

    Wenige Minuten später stand ein schwarzer Geländewagen auf der Landstraße, eine riesige Landmaschine anhupend. Dummerweise reagierte die Maschine so gar nicht auf das Gehupe. Der Geländewagen fuhr links und rechts, der Fahrer schien einen Ausweg zu suchen. Ärgerlicherweise war auf der einen Seite ein Knick und auf der anderen Seite ein tiefer Graben. Als der Fahrer es doch wagte, kam er zwar in den Graben und nicht wieder heraus. Die große Landwirtschaftsdrohne mit reinem Gewissen fuhr ihren kleinen Umweg zum Betrieb und stellte sich selbst in einer Halle ab. 

    “Karl, ich habe hier was für dich.” 

    Der Mechaniker reichte Karl schmunzelnd ein kleines Stück Elektronik mit einem kurzen Stück Draht daran. 

    “Drek! Das ist eine Wanze, oder?” 

    “Denke schon, ja. Ist nun leider kaputt.” 

    “Wo hast du die her?” 

    Der Mechaniker zuckte mit den Schultern. “Ist bei der Reparatur eben vom Kotflügel abgefallen. War recht gut versteckt. Tja, leider bin ich draufgetreten. Ärgerlich, nicht?” 

    “Ja, wirklich, sehr ärgerlich.” 

    Beide gaben sich lachend ein High Five. 

    Zwei schwarz gekleidete Männer stapften sichtbar wütend auf das Gelände des Betriebes. Sie verlangten nach dem Chef und schimpften über “Dieses Mistding von Mähdrescher oder was das ist! Einfach im Weg! Wagen nun im Graben!” 

    Herr Sell trat ihnen ruhig entgegen, hörte sich alles an und erklärte dann: 

    “Meine Herren, dass ist Privatbesitz. Die Straße auch. Ja, wirklich, der Teil ist nicht öffentlich. Was glauben Sie, warum dass der beste Teil der ganzen langen Straße ist. Unsere Maschinen dürfen dort jederzeit fahren. Warnschilder stehen aus. 

    Und, bitte! Regen Sie sich nicht so auf! Wir können sicher was machen.” 

    Die Männer ließen sich nicht beruhigen und wollten wutschnaubend zu ihren Waffen greifen, als sie plötzlich deutlich ruhiger wurden. 

    Hinter Herrn Sell war ein Troll getreten, der diesen weit überragte. Auf seiner Schulter trug er einen fünfzig Kilo Düngersack, als sei es ein Schal. 

    Am Gürtel trug er ein Messer, das andere Machete nennen würden. Sein Blick sagte, dass er Lust auf Düngersackweitwurf mit anschließender kleiner Prügelei und hätte. 

    Aus der Werkstatt trat der Mechaniker, wie zufällig eine Bolzenschussgerät in der Hand. 

    Und aus der Küche trat eine Frau mit einer Schrotflinte. Der Mann hinter ihr hatte eine Pistole am Gürtel und ließ die Hand darüber schweben. 

    Patt! 

    “Mein Vorschlag, meine Herren, wir schauen, ob wir Ihren Wagen aus dem Graben ziehen können. Dann können Sie entspannt weiterfahren.” 

    Knurrend gab der Mann sein Einverständnis und grollte “Dann los! Es eilt!” 

    Ruhige wandte sich Heinrich Sell zu seinem Mitarbeiter: 

    “Passt es gerade, dass du einen Wagen aus dem Graben ziehen kannst?” 

    “Sicher, ich hole den Traktor, tanke ihn auf und dann fahre ich los.” 

    “DREK! Tanken? Es eilt!” 

    “Sicher, wenn ich auch noch liegenbleibe, eilt es noch mehr.” Andrej ließ sich nicht beeindrucken und ging davon. Leider brauchte er fast eine Stunde, bis er am Wagen war, das Seil verbunden hatte und den Wagen endlich aus dem Graben zog. Fluchend und mit pochenden Adern standen die Männer daneben. Die Frau mit der Schrotflinte und der Mechaniker im Hintergrund hielten sie von Dummheiten ab. 

    Die beiden hätten am liebsten den gesamten Hof in Grund und Boden gestampft und alle eigenhändig getötet. 

    Nachrichten 

    … kam es in der vergangenen Nacht zu einem schweren Unfall in der Nähe vom Nehmter Forst. Ersten Ermittlungen nach, fuhr ein Geländewagen aus bisher noch unbekannten Gründen mit erhöhter Geschwindigkeit in Richtung des Forstes und kam vom Weg ab. Zahlreiche Patronenhülsen im Wagen und auf dem Weg lassen den Gebrauch von Schusswaffen vermuten. Die beiden Insassen wurden unweit des Wagens tot aufgefunden. Sie weisen lediglich Kratzer und Schürfwunden auf. Wer Angaben zu Verlauf der Ereignisse machen kann, wird gebeten die Polizei unter der Rufnummer 04522 5005 … 

    Stadtkrieg 

    “Liebe Lara, du sendest Live vom ADL-weit bekannten Stadtkrieg-Turnierplatz Kalkberg-Segeberg. Ehemals ein Freilichttheater für Musik und, lass mich kurz schauen, Western? Echt?” 

    “Ja, lieber Raid, echt. Im beschaulichen Segeberg wurden früher im Freilichttheater neben Musik hauptsächlich Theaterstücke aufgeführt. Stücke des Jugendbuchautors Karl Mayer oder so ähnlich. Winnetouch und Ranger hießen die Figuren. Die Stücke sollen lustig gewesen sein. Ich sah mal 2D Aufzeichnungen, arg pixelig.” 

    ”2D? Oh-ha, das ist je ewig her.” 

    “Das stimmt, Raid, das hörte Anfang der 2000 auf. Euro-Kriege, Schwarze Flut und so weiter, machten dem Theater den Gar aus. Nicht nur dem Theater, ganz Segeberg wurde quasi entvölkert. Dabei war es hier recht hübsch mit dem See, dem riesigen Forst, der ja immer noch als Trainingsgelände für das Militär genutzt wird und der Altstadt. 

    Nun, Raid, ist die ehemalige Stadt mit ihrem immer noch stehenden Fernsehturm ein Stadtkrieg-Gelände, wie die DSKL es nicht besser haben könnte. Aus dem erwachten Forst können Geister hergelockt werden, aus dem See kommt sowieso einiges von allein angekrochen, Squatter gibt es hier nur noch wenige und das Hauptziel der Trainings ist oft, den Fernsehturm zu besetzen.” 

    “Faszinierend, Lara, wirklich. Ich bin, ganz ehrlich, großer Fan von Stadtkriegspielen.” 

    “Wer nicht, Raid, wer nicht? Es ist ja auch eine der aufregendsten Sportarten. Denk nur, früher fanden die Leute dieses … Fußball toll.” Lara musste das Wort hervorwürgen. 

    “Fußball?” Ein lautes Lachen ist zu hören. “Das gibt es noch? Nicht dein Ernst?” 

    “Doch, Raid, doch. Einige Ältere schauen es sich gerne noch an. Sei unbesorgt, die werden nach und nach auch weniger.” Lara lacht nun auch. 

    “Lieber Raid, eine Insiderstory noch für unsere treuen Zuhörerenden, Zuschauenden und wie auch immer ihr uns folgt. Dass erste Turnier fing mit einer Verzögerung an. Ein Team wartete auf eine Lieferung. Niemand weiß, um was es ging, doch, dem Team war es so immens wichtig, dass es sich weigerte, zu starten.” 

    “Du veräppelst mich! Die haben auf eine Lieferung gewartet?” 

    “Ja, Raid, wirklich. Es kam dann ein, warte kurz, ich habe es notiert, ein VW Superkombi IV. Also ein Familienbomber, wenn du so willst. Der Wagen sah aus, als wäre er durch Schlamm gefahren und hätte einen halben Wald abgeholzt. Leider durften wir dort nicht filmen. Zu schade. Das war ein Ablick, sage ich dir. Als der Wagen stoppte, taumelten zwei Leute in robuster Kleidung aus dem Wagen, reichten dem Team zwei Koffer und wurden dann erst mal von den Team-Sanitätern versorgt. Das hatten sie dringend nötig, so wie sie aussahen. Der Wagen verlor sogar einen Kotflügel und, ja, ich erinnere mich, hatte Einschusslöcher.” 

    “Kannst du mehr über die Fahrer? Fahrerinnen sagen?” 

    “Nein, Raid, tut mir leid. Das Basecap trug zwar ein Logo, doch, ich durfte nicht nahe genug ran. Ich glaube das Wort Express erkannt zu haben. Unser Decker ist schon dran. Den Wagen haben sie dann auch abgeschirmt und zu einem Servicetruck gebracht. Später war er wie vom Erdboden verschluckt.” 

    “Spannendes Randgeschehen bei der Stadtkriegliga in Segeberg, verehrte Zuschauerinnen. Nun, liebe Lara, wie liefen denn die ersten Turniere?” 

    “Da kann ich einiges berichten. Morticia hat sich so ernst verletzt, dass sie sich Hoffnungen auf einen neuen Arm machen darf. Trogeater hat sich eine Kugel eingefangen, was bei der Übungsmunition eigentlich nicht vorkommen sollte, und liegt im San-Wagen. Diverse Drohnen wurden geschrottet, da komme ich auf eine Gesamtsumme von über sechzigtausend Verlust. Die Verletzungen noch nicht eingerechnet.” 

    “Lieben Dank, Lara, für diesen ersten wirklich spannenden Eindruck. Nach einem Song und etwas Werbung schalten wir nochmal live rüber. Bleiben Sie dran und bis gleich!” 

    “Susi. Strolch. Schön von euch zu hören. Ihr seht mitgenommen aus.” 

    “Danke, Control. Wir freuen uns, dass wir dich noch hören und sehen können.” 

    “Das … glaube ich. Die Lieferung war erfolgreich, wie sogar im Trid berichtet wurde.” Control schien der letzte Punkt nicht zu gefallen. 

    “Drek! Ja, verdammt. Diese Reporterin durfte zum Glück keine Aufnahmen machen.” 

    “Eventuell wäre das auch Werbung für den Überlandexpress gewesen, also … naja, schon in Ordnung.” 

    “Gut, wie sieht es mit der Bezahlung aus?” fragte Strolch. Seine Stimme war heiser. Er sprach vorsichtig wegen einiger Kratzer im Gesicht. 

    “Die ist schon unterwegs, abzüglich” 

    “Der Provision, ich weiß. Danke, das Geld können wir brauchen. Die Mechanikerin der DSKL hatte zwar ihren Spaß, unseren Wagen weitgehend wiederherzustellen, doch, einiges müssen wir flicken lassen.” 

    “Und Urlaub brauchen wir auch erst mal. Die beiden klebten uns ganz schön dicht am Arsch. Wenn dieser kleine Drekswald sie nicht aufgehalten hätte, dann wäre es eng geworden.” 

    “Verstehe Susi, erholt euch. Ihr seid dann wo?” 

    “Plön soll schön sein, erzählte uns ein Junge der uns geholfen hat.” 

    “Ein Junge? Geholfen?” 

    “Ja, Control. In Kiel, nachdem wir die Ladung in Kiel im Ostuferhafen übernommen haben mussten wir schnell untertauchen. Mohammad und Sergej tauchten da auf und haben uns zum Glück übersehen. Neues Auto, du verstehst?” 

    “Ja, Strolch, weiter!” 

    “Na,” erzählte Strolch weiter, “Wir sind dann irgendwo in der Nähe ins Wohngebiet gefahren. Laute hohe rote Backsteinhäuser. Müssen ewig alt sein. Da hätte ich fast einen verträumten Jungen umgefahren. Haben Glück gehabt. Der erwies sich als Rigger und” 

    “Rigger? Ein Junge?” 

    “Ja, Control, der ist vierzehn, schätze ich. Na, habe ihm einen Fuffi für einen kurzen Flug mit seiner veralteten Drohne geboten und ihn nach einem Parkplatz für den Tag gefragt. Du verstehst?” 

    “Ja.” 

    “Dann hat er den Wagen und uns versteckt. Wir haben nun einen Kontakt in Kiel. Maritas Fischladen. Kannst du notieren. Sie hat einen Unterschlupf, ist Schieberin mit recht sicherem Versteck und Wagen können bei einem Fischer namens, wie hieß der?” 

    “Weiß ich gar nicht. Sagte sie das überhaupt? Doch! Hensen oder Hansen.” ergänzte Susi. 

    “Ja, Hansen! Der Junge sprach von Onkel Hansen. Süß.” Strolch lächelte. 

    “Das sind jetzt mögliche Kontakte in Kiel?” 

    “Ja, Marita als Versteck für Personen und Ware. Hansens Fischhalle auch für Fahrzeuge. Eine kleine Werkstatt hat er, taugt nicht viel. Höchstens Reifen wechseln oder Akku laden. Die ist eher für seine Fischreinigung.” Hier schüttelten sich Susi und Strolch kurz. “Und sein Kahn.” 

    “So ka, lasse ich prüfen.” 

    “Eventuell kannst du noch eine Baumschule, Gut, Bauernhof? Kein Plan, was die da machen. Grünzeug halt. Also, die kannst du eintragen und prüfen.” 

    “Baumschule”, ergänzte Susi. “Der Betriebsleiter, Herr Sell, ein hübscher Elf, hat eine fette Werkstatt und einen Mechaniker der echt was draufhat und verdammt gut aussieht.” 

    “Ja … danke, Susi.” 

    “Ach, Strolchi, mach dir nichts draus.” lachte seine Partnerin und streichelte ihm über die Wange. 

    “Baumschule? Verarscht ihr mich? Seid ihr unter die Baumkuschler geraten?” 

    “Nein, Control. Die haben da derbe große Treibhäuser, Hallen und sowas. Keine Ahnung. Weder mag ich Fisch, noch kenne ich mich mit Grünzeug aus. Ey! Der dreks Wald beim Plöner See wollte uns geeken. Lass die prüfen. Vielleicht kommen die im Notfall in Frage. Die Werkstatt ist ok. Der Mechaniker hatte seine helle Freude an unserer Karre. Und wollte nicht viel Geld.” 

    “Das sind interessante Punkte. Notiert. Warum wart ihr bei der Baumschule?” 

    “Da kam irgendwas über die Straße gehüpft. Irgendwas Großes. Ich wollte nur wenig ausweichen” 

    “Und hast wie ein Anfänger völlig überlenkt und ZACK! Saßen wir im Rasen.” 

    “Jupp. War peinlich. Der Junge, Karl glaube ich, war auf diesem Betrieb und half uns. So kam das zustande.” 

    “Gut. Interessant. In der Ecke haben wir bisher nur wenige Kontakte. Da draußen, den Betrieb habe ich gefunden, noch gar keinen. Ist sehr abgelegen, dass kann auch ein Vorteil sein. Safehouse mit Schieberin und eine sichere Garage in Kiel, brauchbare Werkstatt für den Notfall auf dem Land. Gut, das gibt einen kleinen Bonus für neue Kontakte. Sprich: Weniger Provision für mich.” 

    “Wow, das ist ja mal was. Danke.” Susi und Strolch waren überrascht. Control war nicht für Spendierhosen bekannt. 
    “Gewöhnt euch nicht dran.” 

    Control tippte etwas und fragte dann unvermittelt: 

    “Fahrt ihr wirklich diese Familienkutsche? Einen Kombi? Von … VW?” 

    Den Markennamen schien ihm unwillig über die Lippen zu kommen. 

    Susi rutschte unruhig auf dem Sitz hin und her während Strolch lachte. 

    “Japp. Wir fahren diese Familienkutsche. Die es in sich hat. Das Ding sieht von außen so harmlos aus, es fällt nicht auf und wir tauchen leicht im Verkehr unter. Dann haben wir ein paar Taler in die Hand genommen und den Wagen verbessert. 

    Der E-Motor ist stärker, wir haben einen Turbokondensator für den Notfall und zwei deutlich stärkere topmoderne Hochleistungsakkumulatoren für mehr Reichweite, Chummer, wir können von Aalborg bis Wien durchfahren ohne Laden zu müssen. Dafür sind wir extra in die Batteriefabrik bei Heide eingestiegen. Nordspannung oder so. 

    Der Chamäleon-Lack war die teuerste Investition. Und wir können drin schlafen oder drei Leute plus Gepäck transportieren, ohne dass es eng wird und hier und da Spielzeug, dass uns Verfolger vom Leib hält.” 

    Strolch holte Luft und freute sich über seine technischen Errungenschaften. 

    Control schien nicht beeindruckt. 

    “Verstehe. Klingt gut. Ah, wartet kurz!” 

    Control hob die Hand und schien wieder irgendwas zu tippen und wandte sich dann Susi und Strolch zu. 

    “Seid ihr in drei Tagen wieder fit?” 

    “In drei Tagen schon? Drek! Etwas mehr Erholung wollte ich schon haben. Bin froh, dass ich fast wieder gerade gehen kann.” klang Susi ernsthaft enttäuscht. 

    “Vielleicht kann ich vier Tage daraus machen. Plön! Transport von Plön, ein Koffer aus einer Schule, Internat oder so nach … noch unbekannt. Ich melde mich dazu noch. Bezahlung ist gut. Lohnt sich für euch.” 

    “So ka, Control. Wir fahren nach Plön, schlafen uns aus und wir besprechen frühestens in drei Tagen alles.” 

    “Deal. Für Dreißigtausend könnt ihr sicher in drei Tagen erholt sein.” 

    “Drek! Ja!” 

    “Ende.”

    .

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  • Eine von uns

    Eine Kurzgeschichte im Shadowrun-Universum von Peter Groth. Alle Rechte bleiben beim Urheber.

    Nautik 

    „Und damit sollten Sie nun gewappnet sein, wenn alle Navigationssystem auf See ausfallen. Sie werden in der Lage sein, Ihre Position und Ihre Geschwindigkeit und natürlich Ihre Fahrtrichtung festzustellen und so sicher zum Ziel zu kommen.“ 

    Leises zustimmendes Raunen im Saal. 

    „Entschuldigen Sie bitte, Frau Kapitänleutnant. Wie wahrscheinlich ist es in der heutigen Zeit, dass alle Navigationssysteme ausfallen und wir per … Papierkarten navigieren müssen?“ 

    Leises Lachen begleitete diese Frage. 

    Kurz ließ Sina Wächter, Kapitänleutnant der Marine der Bundeswehr, die Frage im Raum stehen und antwortete dann leise und bestimmt: „Glauben Sie mir, Fähnrich Dürenkopp, alles, was schief gehen kann wird schief gehen. Und wenn Sie dann Ihren Rendezvous-Punkt nicht erreichen, nur, weil Sie geglaubt haben, Ihre Technik wird schon funktionieren, dann, genau dann werden Sie fluchen, Ihre Papierkarten zu Hause gelassen zu haben.“ 

    Ihre Stimme war leise und ruhig gewesen und trug dennoch so eine Überzeugung mit sich, dass alle wussten, Frau Kapitänleutnant Wächter wusste, wovon sie sprach. Sie hatte selbst in genau diesem Drek gesteckt, geflucht und den Kurs berechnet. Im Kopf. 

    „Der Unterricht ist beendet. Schönen Feierabend.“ 

    Erstes vorsichtiges Klopfen, dass nur langsam mehr wurde war die Antwort und die Reihen lichteten sich. 

    „Frau Kapitänleutnant, auf ein Wort bitte.“ 

    Der junge Offiziersanwärter schien von der Schule direkt zur Marine gewechselt zu sein und Sina Wächter musste fast ihre Muttergefühle unterdrücken. Abwartend schaute sie ihn an. 

    „Verzeihen Sie, wenn ich nachhake. Ich kann nicht glauben, dass die ganzen Navigationssysteme zusammen ausfallen. Ich meine, wir haben GPS, Galileo, GLONASS, unser eigenes, dass der MET2000, einige private und was weiß ich. Wie sollen die alle ausfallen? Zeitgleich?“ 

    Seine bestimmte Art, ließ sie schmunzeln. Beiläufig strich sie ihre Haare zurück, was ihre Datenbuchse kurz sichtbar werden ließ. Ihr Cyberauge scannte den jungen Marineanwärter. Seine Körpersprache konnte sie ohne Tech lesen. Arroganz, Unglaube, gewisse körperliche Interessen und einiges mehr. Ihr Auge verriet Temperatur der Haut, Pulsschlag und Atemfrequenz. Da war mehr als diese Frage nach der Nautik. 

    „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass stimmt. Dennoch ist es möglich. Und, selbst wenn die Systeme nicht ausfallen. Was ist, wenn Ihre Geräte diese Systeme nicht erreichen? Nein! Warten Sie!” sagte sie die Hand hebend. 

    “Ich sehe, Sie glauben mir nicht, Fähnrich. Doch, ein Sturm mit einer Gewitterfront kann Ihnen den Empfang verderben. Ihre Geräte könnten durch einen Stromschlag ausfallen. Ja, ich sehe, Sie denken an Ihr Handkom. Die gehen als erste kaputt und empfangen als erste bei ausreichenden Störungen nichts mehr. Richtig schlimm ist es, wenn die Systeme zwar funktionieren und von einem Decker gehackt wurden und Sie sicher sind, auf der richtigen Route zu sein und erste eine halbe Meile vor der Untiefe feststellen, dass Ihre Position falsch und Ihre Geschwindigkeit zu hoch ist. Dann bleibt Ihnen nur noch ein Fluch oder ein Gebet, ganz wie Sie mögen. Denken Sie auch an toxische Stürme oder an Geister. Wenn ein Sturmelementar Ihnen den Tag versaut, dann fallen nicht nur die Systeme aus. 

    Und nun entschuldigen Sie bitte, ich muss noch in die Verwaltung und habe dringende private Verpflichtungen. Danke, meine Tasche trage ich allein.“ 

    Lächelnd nickte sie dem jungen Anwärter zu und ging. 

    Die abfällige Bemerkung über ihr Privatleben hinter ihrem Rücken notierte sie sich im Geiste und machte sich auf den Weg zur Schule, um ihre Tochter abzuholen und mit ihr den Nachmittag zu verbringen. Die schönste Zeit des Tages. 

    Ganz in diesen fröhlichen Gedanken versunken, rempelte sie auf dem Weg zum Verwaltungstrakt ein Mann in einer roten Synthlederjacke an. Ein Ärmel dieser Jacke war nur grob angenäht. Er murmelte entweder einen Fluch oder eine Entschuldigung, genau konnte sie es nicht hören und eilte weiter. Erst ein paar Sekunden später fiel ihr ein Zettel auf, den er ihr in die Hand gedrückt hatte. 

    Irritiert las sie, was auf dem Zettel geschrieben stand und wurde blass. 

    „Wir wissen, wo du wohnst. Wir wissen, wo deine Tochter zur Schule geht.
    Zwei Tage. Dann erfährst du mehr. Rede mit niemandem! Wir hören alles!“ 

    Darunter war ein aktuelles Foto ihrer Tochter auf dem Schulhof zu sehen. Über dem Gesicht ihrer Tochter war ein Fadenkreuz abgebildet. 

    Zitternd rief sie über ihr Handkom in der Schule an. 

    „Ja, klar, Frau Wächter, Lena ist hier und spielt. Warum fragen Sie?“ 

    „Ah, ja, gut, danke. Es kann sein, also, es kann sein, dass ich mich verspäte.“ 

    „Kein Problem. Wir sind bis 18:00 Uhr besetzt. Bis nachher, Frau Wächter.“ 

    „Ja, ja, danke, bis nachher.“ 

    Unsicheren Schrittes ging sie zu ihrem Büro und ließ sich auf den Stuhl fallen. Dann schrie sie kurz, fluchte und schlug auf den Tisch. Gerade, als sie sich gefasst hatte und grimmige Entschlossenheit in ihr wuchs, ging die Tür auf. 

    „Frau Wächter? Alles in Ordnung?“ 

    Klaus Löwitsch, ihr Chef und Leiter der Marine-Abteilung der MTFH schaute vorsichtig durch den Türspalt. Sie kannten sich viele Jahre, hatten einige Einsätze gemeinsam durch und sie konnte ihm nichts vormachen. Mit geschlossenen Augen atmete sie tief durch, schrieb hastig etwas auf einen Zettel und sagte energisch: 

    „Ich finde, ich bin unterbezahlt um diesen Haufen junger eingebildeter Gören zu schulen und würde mich gern mit Ihnen über mein Gehalt unterhalten.“ 

    Dabei stand sie auf und reichte ihm einen Zettel. 

    „SOS, Wotan!“ 

    Ihr Chef schaute nur kurz drauf, blickte sie direkt wieder an und nickte. 

    „Nun, Frau Wächter, aktuell besteht da gar keine Möglichkeit. Lassen Sie uns da im nächsten Jahr drüber sprechen. Vorher habe ich keine Budgets und Zeit für sowas. Bis später.” 

    Während dieser Abfuhr winkte er sie fast unmerklich ihm zu folgen. 

    Aus der Zeit der Eurokriege gab es einen alten und selten genutzten Besprechungsraum, der nach dem damaligen Stand der Technik als abhörsicher galt. 

    Dort, im Besprechungsraum Zulu, las er den ersten Zettel und schwieg dann eine Weile. 

    „Ihrer Tochter geht es gut?“ 

    „Ja, ich habe gleich in der Schule angerufen.“ 

    „Gut.“ 

    Mehr sagte er nicht und dachte bei geschlossenen Augen nach. Eine Angewohnheit, die sie in ihrer gemeinsamen Anfangszeit sehr irritierte. Zumal er das auch unter Beschuss zu tun pflegte. Sie lernte schnell, dass er dann, egal wie brenzlig die Situation war, die bestmögliche Entscheidung traf und vielen Menschen damit das Leben rettete. 

    „Holen Sie Ihre Tochter ab. Fahren Sie nach Hause! Sie hören von mir.“ 

    Zu Hause angekommen, nahm Sina ihre Tochter Lena erst mal lange in dem Arm und begann dann, das Haus zu sichern. Soweit dass für ein normales Reihenhaus in einer normalen Gegend für eine normale Person möglich war. 

    Auf der Fahrt nach Hause, hatte Sina ihrer Tochter mit einer unverfänglichen Frage erklärt, dass sie bedroht würden. 

    Ihr Handkom meldete sich. „Spielen Sie mit!“ Mehr schrieb ihr Chef nicht und da klingelte es schon an ihrer Haustür. 

    Über ihr Handkom, dass das Bild der Türkamera zeigte, sah sie einen Mann ungefähr in ihrem Alter mit einem Jungen an seiner Seite. Beide trugen Sporttaschen in ihren Händen. 

    Sie öffnete die Tür. 

    „Hallo,“ rief der Junge gleich, „ist Lena schon da?“ und stürmte in die Wohnung. 

    „Hallo Sina, schön dass es klappt. Ist ja lange her, nicht wahr.“ 

    Der ihr unbekannte Mann umarmte sie herzlich und flüsterte ihre dabei ins Ohr. 

    „Verzeihen Sie, Leutnant Werner, Ihr Personenschutz.“ 

    Wie selbstverständlich ging er in die Wohnstube und ließ seine schwere Sporttasche fallen. Aus dieser holte er ein elektronisches Gerät hervor, dass wie ein Handkom mit Antenne aussah. Ein weiteres Gerät schloss er an ihre Haustech an. 

    Er agierte mit den Geräten, als sei es so natürlich wie atmen und erzählte dabei fröhlich von seiner letzten Segeltour von Kappeln nach Kiel. Nur wenige Critter hätten sie gesehen, Ruhe vor den Roc gehabt und keine Fische geangelt. 

    “Nicht einen Fisch, kannst du dir das vorstellen?” 

    Hier und da schaute er sich um und sah sich jedes Zimmer an. Er kam mit einem Zettel in der Hand zurück. 

    „Werden abgehört. Jedes Zimmer. Keine Kameras.“ 

    Laut sagte er: „Kinder, ich habe euch eure neuen Sporttrikots mitgebracht. Zieht sie doch bitte an. Ich möchte sehen, ob sie passen.“ 

    Außer sechs riesigen Sporttrikots holte er noch Schutzwesten hervor, die ihre Tochter und sein Sohn direkt anzogen und das Trikot darüber warfen. Sina und Werner taten es ihnen gleich. 

    Es klingelte wieder. Sina ließ eine Orkfrau mit einem jungen Ork an ihrer Seite rein. Erst dachte sie, es sei der Sohn der Orkin. Doch, auf den zweiten Blick erkannte sie, dass er nur jung gekleidet war. Sicher war er schon Anfang zwanzig alt. 

    „Hallo Sina, Schätzchen. Herrlich, dass wir es endlich zum Grillen geschafft haben. Das wurde aber auch Zeit. Schön, dass die alte Landratte Werner auch da ist. Lasst uns gleich den Grill anschmeißen, was? Bier habe ich auch dabei.“ 

    „Lass mich bitte den Grill anmachen, Mama.“ 

    Sina musste bei den Worten grinsen. Immerhin war dies ein erwachsener Ork, der seine Mama um Erlaubnis bat wie ein kleiner Junge. 

    Der Abend verlief ruhig und ab und an konnte Sina vergessen, dass sie bedroht wurde. Das Soyfleisch war lecker, das Bier süffig, das Wetter spielte auch mit. 

    Leutnant Werner hatte ihr Notizen geschrieben, die er auf der Toilette hinterließ. 

    Er war, ebenso wie die Orkin Hauptbootsmann Sast, zu ihrem Schutz bestellt. Sast und er würden abwechselnd bei ihr übernachten. Sie war dankbar. 

    Zweite Nachricht 

    Sina freute sich fast, wieder nach Hause zu kommen. Immerhin wusste sie, dass Leutnant Werner dort wäre. Ihre Tochter erzählte begeistert, dass sein Sohn ihr gegen einige größere Jungs in der Schule geholfen hatte und diese künftig wohl einen großen Bogen um sie machen würde. Sina fragte lieber nicht nach Details. 

    Das volle Haus war ungewohnt. Sie wohnte, seit ihr Mann sie verlassen hatte, mit ihrer Tochter allein. Leutnant Werner und Sohn brachten ungewohnte Situationen mit sich. Immerhin benutzten nun vier statt zwei Leute das Bad. Die Couch war fast zu klein und die Küche auch nicht für vier Leute ausgelegt. 

    Das Klingeln an der Haustür riss sie wieder in die Realität. 

    Auf der Fußmatte lag ein Zettel. Zu sehen war niemand. Das observierende Team sah einen Jungen, der eilig zur Tür lief, den Zettel hinlegt und verschwand. Zwei Leute wollte ihm folgen, doch er war durch eine Lücke in einem Zaun verschwunden und nicht mehr zu sehen. Die Bildauswerter bekamen den Auftrag der Identifizierung. 

    „Ihr neuer Stecher soll Urlaub machen! Sie packen Ihre wichtigsten Sachen für Sie und Ihre Tochter! Heute Abend werden Sie abgeholt und zu Ihrem neuen Arbeitgeber gebracht. Es lohnt sich. Finanziell wie materiell. Denken Sie an ihre Tochter!“ 

    Sie sollte mit ihrer Tochter um ein Uhr nachts zur Seebrücke Mönkeberg kommen und dort warten. Nur ungern verabschiedete sie Leutnant Werner und packte ein paar Sachen. 

    Seebrücke Mönkeberg 

    Trotz der warmen Jahreszeit war es um diese Uhrzeit kühl auf der Seebrücke. Die Sonne ging unter. Der leichte Wind machte es nicht besser. Ein Jetski düste den Strand entlang wohl auf dem Weg in den heimischen Hafen. 

    Sina zitterte sicher nicht nur vor Kälte. Ihre Tochter klammerte sich müde an sie. Sie beide hatten Angst. Die Entführer hatten sich den heutigen Tag über fast offen gezeigt, so sicher waren sie sich. Der Mann mit dem rattigen Gesicht und der roten Synthlederjacke stand in der Nähe der Schule. 

    Ein Boot näherte sich schnell und stoppte hart auf vor der Seebrücke. 

    Vier vermummte Gestalten mit Maschinenpistolen sicherten die Umgebung. 

    „Du bist brav gewesen. Sehr gut. Deinen albernen Unterricht haben wir überwacht. Deine Göre auch. Los, steig ein! Wir bringen dich zu deinem neuen Brötchengeber.“ 

    Selbst die Stimme erinnerte Sina an das Quieken einer Ratte. Ihr lief ein Schauder über den Rücken. 

    „Erst will ich wissen, wer das ist!“ Sina wollte Zeit schinden. Immerhin hoffte Sie auf die Orkin oder den Leutnant. Doch sie standen allein auf der Brücke, unter sich das dunkle Wasser der Kieler Förde und vor sich das schwarze Boot. 

    „Mach keine Mätzchen und steig ein. Wir sollen dich lebend übergeben. Von gesund war nicht die Rede.“ 

    „Nein! Ich werde nicht mitkommen, bevor ich nicht weiß, was hier gespielt wird! Ich“ 

    Weiter kam sie nicht. Zwei der Vermummten mit überraschend ähnlicher Ork-Statur sprangen die Treppe hoch und packten sie und warfen sie an Bord. Die Taschen kickten sie wie Fußbälle nach unten. 

    Dann ging eine wilde Fahrt los. Die Pilotin, über ein Kabel mit dem Boot verbunden, legte den Hebel auf den Tisch, die elektrischen Motoren heulten auf und das Boot erwachte regelrecht zum Leben. Es sprang über die Wellentäler und schien zu fliegen. 

    Sina und ihre Tochter wurden auf die Polster am Heck geworfen und hielten sich krampfhaft fest. Zwar konnte sie sich verteidigen, doch ihre Tochter hatte erst vor wenigen Monaten mit dem Training begonnen und gegen Schusswaffen war waffenlos schwer anzukommen. 

    Der Wind ließ ihre Haare wehen. Gischt benetzte sie alle. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie diese Fahrt genossen. 

    Nun saßen die beiden vermummten Orks mit Waffen in der Hand und ließen sie nicht aus den Augen. Nein, schwimmen wollten sie nicht.

    Kiel Leuchtturm

    Bald hatten sie die Förde verlassen und näherten sich Kiel Leuchtturm. Dort angekommen wurden sie auf den Kai gezerrt und an den Fuß des Leuchtturmes gestellt. 

    „Warten!“ grunzte einer der vermummten Gestalten, ihre Taschen auf die Mole werfend. 

    Ein Hover näherte sich. Bald lag es auch in dem künstlichen Hafen des Leuchtturmes. 

    „Rein!“ kam nun der grobe Befehl und sie wurde auf die Beine gezerrt. 

    Der Anführer in der roten Synthlederjacke ging vor und erstarrte plötzlich. 

    Es passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Mehrere Hover und Jetski näherten sich, Drohnen senkten sich so weit aus dem nächtlichen Himmel herab, dass man sie sehen und hören konnte und ein kleines U-Boot tauchte auf. 

    Diverse rote Leuchtpunkte tanzten über die vermummten Entführer und diese sahen sich plötzlich einer Übermacht gegenüber. Die beiden Orks gaben zuerst auf und legten die Waffen auf den Boden. Dann hob die Riggerin ihre Hände. 

    „Drek!“ grunzte der Anführer in seiner roten Synthlederjacke und hob auch die Hände. 

    Leutnant Werner und Hauptbootsmann Sast mit ihrem Sohn stiegen mit Sturmgewehren bewaffnet auf den Kai, den Finger am Abzug, hielten Abstand zu den Entführern und sicherten Sina und ihre Tochter. Alle sahen aus, als hätten sie Lust, den Abzug durchzuziehen. Die Entführer wurden mit Kabelbindern verschnürt und auf das größere Hoverboot verbracht. 

    Dankbar umarmte Sina den Leutnant und die Hauptbootsmann. 

    Besprechungsraum Zulu 

    „Frau Wächter, wir haben inzwischen Grund zur Annahme, dass Sie zu einer neuen aufstrebenden Techbude extrahiert werden sollten.“ 

    „Ich? Warum das denn?“ fragte Sina ihren Chef überrascht. 

    Ebenso überrascht hatte sie die Anwesenheit weiterer Kollegen der MTFH. Anwesend waren die Leiterin der MTFH-Abteilung von MET2000, der Chefingenieur der Werft und ihr Chef selbst. 

    „Nun, wir vermuten, dass es um Ihre Forschung und Entwicklung im Bereich der Navigationstechnik geht. Diese sind zwar geheim, doch, auch bei MET2000 wissen wir, was die Marine interessiert und woran die beste Nautik-Dozentin der MTFH arbeitet, wenn sie nicht gerade ihre Studierenden mit Sextanten bewirft und Karten um die Ohren haut.“ 

    Ruhig hatte die MET2000 Kollegin ihr diese eigentliche geheime Information offenbart und ihr Chef und der Chefingenieur der Werft husteten überrascht. Sina räusperte sich. Die Geschichte mit dem Sextanten war lange her, ihr peinlich und hatte ihr in ihrer Anfangszeit als Dozentin einen hilfreichen Ruf beschert. 

    „Und unserunseren Geheimdienst ist auch nicht dumm,“ sagte die MET2000 Kollegin. 

    „Ah, so. Verstehe“ gab Sina lahm zurück. „Und was haben Sie dann gemacht?“ 

    „Ganz einfach.“ Ihr Chef hatte sich gefangen. „Die Kollegin von MET2000 und ein Freund des KSK-Marine führten eine Übung durch. Observation einer Zielperson. Diese Observation lief an dem Tag an, als Sie mir den Zettel zeigten.“ 

    „Sie lief da bereits? Heißt dass, ich wurde überwacht?“ 

    „Dass Sie das nicht bemerkt haben, spricht für unser Team“ gab die MET2000 Offizierin lächelnd zurück. 

    „Die Werft stellte uns für diese Übung allerhand Spielzeug zur Verfügung, die unsere Leute regelrecht nervös gemacht haben. Einige Prototypen, die richtig was können.“ 

    Der Chefingenieur meldete sich zu Wort. 

    „Ja, wir haben einiges an Drohnen und eine neue Art U-Boot als Versuch rausgegeben. Was ein übliches Vorgehen ist, wenn wir kurz vor Marktreife sind. Ich kann bestätigen, was ihr Chef sagte. Die Leute von MET2000 und der Marine bekamen einen seligen Blick und weiche Knie, ob der Tech, die ich mitbrachte.“ 

    „Wir überwachten Sie rund um die Uhr. Leutnant Werner und Hauptbootsmann Sast blieben im Wechsel bei Ihnen, bis wir mehr wussten.“ 

    „Das war schon viel. Leutnant Werner brachte sogar seinen Sohn in Gefahr. Und sie schickten Hauptfeld Sast und Sohn zu mir.“ 

    Ihr Chef legte ihr seine Hand beruhigen auf ihre. 

    „Nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht haben, lasse ich Sie bestimmt nicht im Stich.“ 

    Interessiert schaute die MET2000 und der Chefingenieur der Werft auf. 

    Ihr Chef winkte ab. „Opa erzählt vom Krieg. Lassen wir das. Vielleicht später einmal.“ 

    Gedanklich war Sina einige Jahre zurückgeworfen worden und sah riesige Wellen schmutzigen Ostseewassers auf sich zurollen, Blitz und Donner auf sie niedergehen, als wären alle Götter und Geister dieser Welt wütend auf sie und Raketen an ihrem Schiff vorbeizischen. Sie schüttelte sich kurz und war wieder im Besprechungsraum Zulu. 

    „Was war mit meiner Tochter?“ 

    „Der Sohn von Hauptfeldwebel Sast und von Leutnant Werner machten einen Schüleraustausch in der Klasse Ihrer Tochter. Alle hatten ein kleines Team als Rückendeckung.“ 

    Die Offizierin des MET2000 erklärte weiter. 

    „Leider mussten wir so lange wie es ging, warten. Nur so konnten wir möglichst viele Informationen gewinnen. Wobei Sie mehr Drohnen am Hintern kleben hatten, als sie wissen wollen. Uns war bald klar, dass die Runner keine wirklichen Infos hatten. So konnten wir riskieren, etwas weiter als uns lieb war zu gehen. Als das Hover der Entführer am Leuchtturm ankam, beschlossen wir, die Sache zu beenden.“ 

    „Unsere Werft hatte zwei neue Überwachungsdrohnen als, äh, Test unter realen Bedingungen geliehen. Das U-Boot ist auch ein Prototyp. Ein sehr guter, wie ich stolz sagen und den Daten entnehmen konnte, die wir durch diesen Einsatz bekamen.“ 

    „Unsere KSK hat Kampfdrohnen geschickt. MET2000 die Jetski. Alles in allem war es eine gemeinsame Übung vom MET2000, der Werft und uns, der Marine. Etwas, was wir lange schon mal machen wollten.“ 

    „Aber … warum taten sie das alles für mich? Ich meine, ich bin eine Dozentin der Nautik und Ingenieurin in einem eher kleinen Forschungsprojekt.“ 

    Ihr Chef fuhr sie an. „Nun stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Sie sind die beste Nautikerin, die ich je kennengelernt haben. Egal, ob bei Sturm und Beschuss, Sie haben den Kurs immer und meist im Kopf berechnet, auch ohne Tech. 

    Und, zu unser aller und dem Glück der Studierenden, können Sie dieses Wissen auch noch so vermitteln, dass dieser trockene Stoff alle verstehen und lernen. Ihre Forschungsarbeit meistern Sie mit ebensolcher Akribie und Hingabe. Sowas lasse ich mir doch nicht von ein paar dahergelaufenen Runnern nehmen!“ 

    „Im Namen von MET2000 kann ich Ihnen die Worte Ihres Chefs bestätigen. Unsere Leute, die bei Ihnen gelernt haben, sind durchweg begeistert. Anfangs natürlich nicht. Später dann schon.“ Sie grinste kurz. „Sina, wir kennen uns seit einigen Jahren und ich wage zu behaupten, dass wir hier schon sowas wie eine kleine Gemeinschaft sind. Auch wenn uns die Arbeitgeber trennen. 

    Kurz: Sie sind eine von uns!“

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  • Doktor Müller

    Eine Kurzgeschichte im Shadowrun-Universum von Peter Groth. Alle Rechte bleiben beim Urheber.

    Ein Arzt wird Streetdoc 

    Wohnungstür 

    “Guten Abend. Ich bin Doktor Müller. Ich habe den Eindruck, dass Sie und ganz besonders Ihr … Chummer ärztlicher Hilfe bedürfen.” 

    Ungerührt sah Doktor Müller in die Gesichter der Runner vor ihm. Dass die Mündungen zweier schwerer Pistolen, er kannte sich da nicht so aus, auf ihn zeigten, schien ihn nicht zu bekümmern. Dass die schweren Pistolen zu nervösen und teils blutbespritzten Orks gehörten, auch nicht. 

    Kurz schaute ein Ork zum anderen und senkte die Waffe. Beide sahen sich zum Verwechseln ähnlich. 

    “Komm rein, Mann. Unser Chummer ist angeschossen worden. Er blutet wie Sau.” 

    Zehn Minuten vorher. Über der Arztpraxis 

    Ein lautes hartes Quietschen von Bremsen ließ Doktor Müller aufhorchen. Er legte sein Buch beiseite und wischte mit einer Geste die klassische Musik aus, die er gern beim Lesen im Hintergrund laufen ließ, nahm die entspannt hochgelegten Füße vom Hocker und schaute aus dem Fenster. Um diese späte oder eher frühe Uhrzeit war es normalerweise still in der Straße vor seiner Praxis, über der er wohnte. 

    Durch den Vorhang konnte er sehen, wie zwei dunkle robuste Gestalten, vermutlich Orks, einen dritten Mann eilig aus einem Kofferraum eines Kombis zerrten. Der Mann stöhnte laut und eine dunkle Flüssigkeit verteilte sich auf dem Boden und zog eine im fahlen Licht der Straßenlaterne eine dünne glitzernde Spur aus Tropfen. 

    “Mach schnell, Chummer. Forrest blutet wie Sau. Das muss dicht!” knurrte einer der Orks. 

    Die Fahrerin, zumindest vermutete Doktor Müller eine Frau anhand der Statur, fuhr eilig los als der Verletzte aus dem Kofferraum heraus war. 

    Wenige Augenblicke später konnte er sehen, wie in der Wohnung im Hochparterre das Licht anging und Schatten sich in der Küche eilig bewegten. 

    Aufseufzend rang er kurz mit sich und ging dann in seine Praxis runter, um seine Arzttasche zu packen. Heute war sein freier Tag und der fing nicht gut an. 

    Wohnung 

    In der Küche konnte Doktor Müller sehen, dass der blutende Mann, er kannte ihn bisher nur vom Sehen, auf dem langen Küchentisch lag. Er blutete aus einer Beinwunde. Auf dem Tisch und dem Boden hatte sich schon eine Lache gebildet. 

    Rasch zog er sich Handschuhe über. 

    “Sie beide! Hände mit Seife waschen, desinfizieren und dann die Handschuhe anziehen! Sie, Forrest, richtig? Hören Sie auf zu zappeln! Ich werde Ihre Hose aufschneiden und dann die Blutung stillen.” 

    Unsicher schauten sich die beiden Orks an. Händewaschen stand nicht ganz oben auf ihrer Dringlichkeitsliste. 

    “Muss ich Ihnen beibringen, wie man die Hände wäscht? Oder wollen Sie Ihrem Kollegen auch noch eine Blutvergiftung mitgeben? Ich brauche Ihre Hilfe und keine dreckigen Hände!” 

    Doktor Müller schnitt rasch und geübt die Hose weit oberhalb der Wunde ab und legte dann ein Druckverband an. Sofort blutete es weniger. 

    “DREK! Mann! Das tut so weh!” jammerte der Mann auf dem Tisch. 

    “Ruhe! Liegen Sie still! Seien Sie froh, dass Sie den Schmerz noch spüren!” 

    “Sie!” er zeigte auf einen der athletischen Orks. “Ich brauche aus meiner Tasche eine Schere, Pinzette und den Druckverband.” 

    Verwirrt und fast niedlich hilflos suchte der stämmige Ork vorsichtig mit seinen Pranken in der Arzttasche. Erleichtert reichte er dem Arzt das Gesuchte. 

    “Sie beide! Halten Sie den Mann fest! Er zappelt zu viel.” 

    Nun war es fast still. Fast. Forrest stöhnte oft und laut gequält auf. Hin und wieder ließ sich Doktor Müller was reichen. 

    Die Tür klapperte. “So, Chummer, das Blut ist raus aus der Karre und wie geht es Forrest? … Was zur Hölle?” 

    Die Fahrerin war in die Wohnung gekommen und griff instinktiv zur Waffe hielt sich dann wieder zurück, als sie die Situation erfasste. 

    “Sie sind der Doc von gegenüber.” 

    “Japp.” 

    “Können Sie ihm helfen?” 

    “Japp.” 

    “Wird er überleben?” 

    “Wahrscheinlich, ja.” 

    “Was kann ich tun?” 

    “Die Klappe halten.” 

    “So ka.” 

    Nach weiteren anstrengenden und langen Minuten richtete sich der Arzt aufatmend auf, streckte sich und schnitt einen Faden ab. 

    “So, die Ader ist geschlossen, die Wunde ist zu und sauber. Die nächsten Tage braucht der Mann absolute Ruhe und keine Bewegung, so ka?” 

    “So ka.” nickten alle gehorsam. 

    “Er darf sich nicht bewegen. Ich sehe täglich nach ihm. Wenn sich sein Zustand verschlechtert, kommen Sie unauffällig in meine Praxis. Unauffällig!” 

    “Doc, soll Forrest jetzt auf dem Küchentisch liegen bleiben?” 

    “Natürlich nicht. Bringen Sie ihn in ein Bett oder auf eine Couch. Beides muss sauber sein.” 

    Bei dem Wort sauber zuckten alle zusammen und die Frau sagte: 

    “Drek! Ich kümmere mich darum.” 

    “Unter sein Bein sollten Sie Handtücher legen. Es wird noch eine Weile bluten. Bis der Blutverlust ausgeglichen ist, wird es dauern.” 

    Die Handschuhe ausziehend und auf den Tisch werfend schaute sich Doktor Müller um, packte seine Sachen ein und verschwand mit einem “Gute Nacht”. 

    So wurde aus Doktor Müller am Tage ein Streetdoc bei Nacht. Über Tag arbeitete er in seiner gut laufenden Praxis, die am frühen Abend schloss. Nachts wurde er nun immer mal aus dem Schlaf geklingelt und am Tage zu “eiligen Hausbesuchen” gebeten. Bald wandelte er ein einfaches und nicht genutztes Zimmer in ein Operationszimmer um. Bei einer nächtlichen schwierigen Notoperation kam seine junge Arzthelferin dazu, sagte nur “Ich habe schon lange die Vermutung, dass hier noch was läuft. Und wie ich sehe, brauchen Sie Hilfe, Herr Doktor. Und einem Nebenverdienst bin ich nicht abgeneigt.” 

    So war auch sie im Team. 

    Beide weigerten sich, als Rückendeckung mit auf Runs zu kommen. 

    Doktor Müller sagte schlicht: “Bringt eure Verletzten her oder lasst es! In die Nähe eurer Einsätze gehen meine Assistentin und ich nicht!” 

    Marktfriede 

    “Was willst du, Müller?” 

    Roswitha sah den Arzt vor ihr grimmig an. Sie hatte wichtigeres zu tun, als sich mit einem heimlichen Streetdoc abzugeben. 

    “Marktfriede für meine Praxis!” 

    Bei dem mittelalterlich anmutenden Wort runzelte die Anführerin der lokalen Gang die Stirn. 

    “Ist was passiert?” 

    “Ja, verdammt. Gestern habe ich einen von Diegos Leuten zusammengeflickt und zwei deiner Leute machten Stress. Kommt das nochmal vor, dann flicke ich niemanden mehr zusammen! Auch deine Leute nicht! Mach das auch den anderen Gangs klar! Du hast den Kontakt zu denen. Nutze ihn!” 

    Einer von Roswithas Leibwächtern bekam ob der harschen Worte gegenüber seiner Chefin Schnappatmung und erwartete den Befehl, den Doc windelweich zu prügeln. Ihr Berater, wie er sich nannte, beeilte sich die Wogen zu glätten. 

    “Nun, Doktor Müller hat bereits einige Male unsere Leute bestens medizinisch versorgt um nicht zusammengeflickt zu sagen. Ich bin sicher, zu deren Zufriedenheit. Es ist in unser aller Interesse, dass wir in Zukunft weiter seine Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. So ist ein Marktfriede, wie Sie es so schön formulieren, Doktor, sicher in unser aller Sinne, Roswitha.” 

    Doktor Müller nickte dem Mann im grauen Anzug kurz zu. 

    “Marktfriede für meine Leute, für mich und meine Praxis. Ich habe keine Lust, dass meine Mitarbeitenden von irgendwelchen Gangern unter Druck gesetzt werden. Erfahre ich sowas, ist die Gang raus. So ka?” 

    Nur das Tuten eines Schiffes war zu hören. 

    Der Leibwächter hatte sich nur wenig entspannt und wie zufällig die Hand in der Jacke. 

    “So ka.” nickte Roswitha dann und winkte ihrem unverbindlich lächelnden Berater zu. “Kümmere dich drum.” 

    Dieser nickte kurz und verließ den Raum. 

    Doktor Müller murmelte ein Danke und ging. 

    Von nun an wurden er und seine Leute nicht mal mehr von Squattern angesprochen, ja kaum angeschaut. Kam es doch mal vor, wenn Auswärtige sich in das Viertel verirrten und Stunk suchten, dann bereuten sie es schnell und kamen nicht wieder.

    Ende

    .

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  • Run, Forrest! Run!

    Eine Kurzgeschichte im Shadowrun-Universum von Peter Groth. Alle Rechte verbleiben beim Urheber.

    Forrest 

    Forrest zog sich seine rote Synthlederjacke über. Sie war sein Markenzeichen und brachte ihm Glück. Bis heute. 

    Frohlockend verließ er seine momentane Unterkunft, eine einfache kleine Wohnung in einem mehr oder weniger guten Stadtteil auf dem Ostufer von Kiel. Zu seinem Leidwesen wohnte er über einem Fischladen. Er mochte keinen Fisch und noch weniger den Geruch. Heute jedoch grüßte er Marita, die resolute Inhaberin und seine Vermieterin fröhlich. 

    Marita 

    Marita wunderte sich sehr über den geradezu aufgekratzten Forrest. So kannte sie ihn gar nicht. Meist machte der Mann mit der roten Synthlederjacke und dem Gesicht einer Ratte einen weiten Bogen um ihre Ladentür. Nen Fischkopp, der kein Fisch mag. Komischer Kauz

    Sie winkte ihm zu und kümmerte sich lieber um die Lieferung frischen Fisches, die Hansen gerade gebracht hatte. Hansen, dass war ein Mann! Nicht lang schnacken, anpacken! Das war seine Devise. Wenn er sie mal anpacken würde … 

    Hansen 

    Hansen schleppte mit seinen Jungs, wie er seine Mannschaft nannte, die Fischkisten in Maritas Laden. Dabei wich er diesem Forrest aus. Er mochte den Flegel nicht. Scheute die Arbeit, wo es nur ging und die Leute, mit denen er sich rumtrieb, waren Hansen auch nicht geheuer. Umso überraschter war er, als er seine Kiste abstellte, mit Marita ein paar Worte wechselte und Forrest breit grinsend eine Kiste in den Laden schleppte. 

    „Zur Feier des Tages! Einen wunderschönen Tag noch!“ rief er und verschwand. 

    Lucia 

    Egal wer da gerade so penetrant um diese verfragged frühe Uhrzeit zu klingeln wagte, er würde es bereuen, Drek verdammter! Lucia würden den frühen Vogel eher braten als ihn was fangen lassen und hatte außerdem einen wunderschönen Traum vom traumhaft blauen Meer, weißer Sandstrand, ein Schirmchen-Drink und einem starken braungebrannten RRRRING! War der Traum aus. 

    Was zur Hölle? Ich bring dich um! Wer auch immer du bist! 

    Müde schlurfte sie zur Tür und riss diese auf. 

    „Lucia, Schätzchen, schön dich zurgs!“ 

    All die netten Worte konnten nicht über seine geölte Zunge kommen da Lucias Hand seine Kehle umschloss, als wäre sie in eine Schraubzwinge geraten. 

    „Drek! Ich hasse Dich! Was willst du, Forrest?“ 

    Da der Mann in ihrer Hand kaum noch atmen konnte und am Türrahmen festgenagelt war, gab er nur ein schwaches Krächzen von sich und wedelte mit der Hand. Sein Gesicht verfärbte sich bereits. 

    Sie ließ ihn frei, ging in die Küche und machte sich einen Soykaff. Forrest rang noch eine Weile mit sich und der Luft, die endlich wieder seine Kehle durchdrang. 

    Wortlos hielt sie ihm einen Becher hin und nickte auffordernd. 

    „Hab ‘nen Auftrag“, krächzt er. „Ganz einfache Extraktion. Für ne neue Techbude aus aus, hab ich vergessen. Ist auch egal. Rostock oder Wismar oder so.“ 

    „Warum einfach? Was soll ich tun?“ Lucia war im Anblick des Leidenden und nach den ersten zwei Schluck Soykaff deutlich milder gestimmt. 

    „Ist so’ne Lehrerin von der MTFH, weißt du? Nix wildes also. Sie und ihre Tochter bringen wir bis Kiel Leuchtturm und bekommen das Geld. Lockerer Job.“ 

    „Locker ist es nie, wenn es locker heißt. Wenn sie ein Kind hat, ist das zusätzliche Last, So Ka?“ 

    „So Ka! Bist du dabei? Geht in wenigen Tagen los.“ 

    „Ich denk drüber nach. Verpiss dich!“ 

    „Jau, ich frag Flic und Flac. Deren Muskeln können wir brauchen.“ 

    Etwas wacher schaute Lucia aus dem Fenster und sah Forrest über die Straße gehen, einen riesigen Typen anrempeln, der um eine Ecke trat und dann losflitzen, wie sie ihn nie flitzen sah. Der Riese lief ihm direkt nach. 

    „Drek! Hoffentlich verpatzt er es nicht wieder.“ 

    Timotheus 

    Timotheus hatte schlechte Laune. So richtig schlechte Laune. Seine Chefin Roswitha hatte ihm gerade den Arsch aufgerissen, dass die Bande nicht spurte und einen Auftrag vermasselt hatte. Einen wichtigen Auftrag. Das ließ sie an ihm aus und er sollte die Bande scheuchen. So in finsteren Gedanken ging er aus der Gasse auf die Straße, zumindest wollte er das, da rannte ihm ein Norm in die Quere. Was bedeutet, dass der kleine Norm gegen ihn rannte, als sei er gegen einen Baum gerannt. Der Troll schaute so grimmig nach unten, dass Wasser bei dem Blick gefroren wäre. Dann hellte sich seine Mine auf. Ein böses Grinsen machte sich in seinem mit Hauern bewährten Gebiss breit. 

    „Forrest! Gut, dass ich dich treffe. Du schuldest HEY!“ 

    Timotheus kam kaum mit dem Blick hinterher, so schnell war Forrest mit panischem Blick losgeflitzt. “Ach man!” 

    Er rannte hinterher. 

    Susi 

    Susi saß gerade hinter dem Empfangstresen ihres kleinen Hotels, als die Tür aufgeworfen wurde, die Glocken wild bimmelten, die Tür gegen den Stopper knallte und hinter der eiligen Gestalt in roter Jacke wieder zuschlug. 

    „Morgen, Susi!“ hörte sie noch, da war der Typ schon an ihr vorbei und zur Küche raus. Sie überlegte noch, ob Forrest, so hieß ihr Ex, eilig auf Klo oder was essen musste, da schepperte die Tür erneut, diesmal lauter, irgendwas fiel von der Wand und es klang so, als wäre eine Scheibe gesprungen. Die Glocken wollten klingeln, doch ein riesiger Kopf schob sich unter dem Türrahmen durch. Der riesige Kopf gehörte zu seinem riesigen Troll mit riesigen Hörnern die den kleinen Türglocken den Gar aus machten. Kurz sah es lustig aus, wie die Glocken an den Hörnern hingen, da riss der Troll sie auch schon ab und brummte ein „Tschuldigung. Wo isser hin?“ 

    Susi schaute ihn noch mit weiten Augen an und zeigte dann die Treppe hoch. Leider fiel nun laut hörbar die Außentür der Küche ins Schloss und der Troll ging mit den grollenden Worten „Netter Versuch!“ zur Küche und entschwand. 

    Die Glocken legte er noch sorgfältig auf dem Tresen ab. 

    Dietrich 

    Dietrich lebte schon lange als Squatter in Ellerbek. Alle kannten ihn, alle mochten ihn leidlich und viele gaben ihm von dem wenigen, was sie hatten. So gut er konnte, half Dietrich auch aus. Leider war es mit seinen geistigen Fähigkeiten nicht weit her. So traute man ihm gerade zu, Dinge von A nach B zu bringen, mal ein Auto zu waschen oder den Bürgersteig zu fegen. 

    „Didi! Halt ihn auf, wenn du kannst. BITTE!“ 

    „Forrest! Wohin so eilig?“ Doch Forrest war schon an seinem momentanen Schlafplatz vorbeigeflitzt. „So schnell war der noch nie.“ Da sah der Squatter Timotheus wie ein wütendes Dampfross aus der Tür des Hotels kommen und auf ihn zu eilen. Didi überlegte nicht lange und streckte sein Bein aus. 

    „AAAAAAAARGH!“ schrie der Troll und legte sich lang hin. Es war, als wäre ein Baum gefallen. 

    „Ups!“ sagte Didi entschuldigend und dann legte sich ein Schatten über ihn. Der Troll stierte ihn mit wütendem Blick von oben herab an. 

    „Sorry, Chummer. War keine AAAAAA“ 

    Der Troll hob ihn hoch als sei er eine Puppe, schüttelte ihn durch und warf ihn in die Mülltonne. Gerade wollte er sich erneut auf den armen Didi stürzen, als er hinter sich Susi hörte. 

    „Lass es, Timotheus!“ 

    Langsam drehte der Troll sich zu der kleinen Frau um und staunte nicht schlecht. Sie hielt eine Schrotpistole in der Hand und hielt sie locker in seine Richtung. 

    „Reicht für heute, nicht wahr? Oder soll ich Roswitha sagen, dass du meine Tür zerstört und diverse Essen ruiniert hast?“ 

    Grunzend stellte Timotheus Dietrich wieder auf den Bürgersteig, etwas Müll fiel zu Boden. Grunzend zog der Troll ab und verschwand in die Richtung die Forrest genommen hatte. 

    „Komm, Didi, ich geb ein Frühstück aus.“ 

    Sie half ihm auf. „Oha! Und eine Dusche und Wäsche waschen ist wohl auch wieder dran.“ 

    „Danke, liebe Susie. Bist ein Schatz. Ist das Essen denn nicht ruiniert?“ 

    „Ach wo, Timotheus hat nur etwas Besteck und eine Pfanne runtergeworfen und die Türglocken abgerissen. Halb so wild. Da ich Roswitha kenne, hat die Drohung zum Glück geholfen.“ 

    Gemeinsam gingen sie durch den Lieferanteneingang ins Hotel. 

    Pastor Lehmann 

    Pastor Lehmann bereitete gerade die Messe vor und stellte neue Kerzen auf, rückte Gesangsbücher zurecht und stellte Bänke und Stühle gerade, als die Flügeltür des Gemeindehauses aufgeworfen wurde. „Pastor!“ rief ein Mann in einer roten Lederjacke und blieb am Griff hängen. „Oh nein! Meine Jacke! Drek! Verfluchter Drek!“ 

    „Mein Sohn, ich muss schon bitten!“ 

    „Pastor, wo geht es hier raus? Es eilt!“ 

    Nervös schaute der komische Mann in der nun eigerissenen roten Jacke aus dem Fenster. 

    „Nun, du kannst hier nach hinten raus. Allerdings ist das nur unser gemütlicher Hinterhof ohne Ausgang.“ 

    „Drek!“ 

    Da flogen beide Türflügel auf und hakten laut protestierend in die Haken am Boden. Heller wurde es trotzdem nicht. Ein riesiger Troll stand in der Tür. 

    „Wo isser hin?“ grollte der. 

    „Ich habe ihm gesagt, dass er dort hinten raus kann und oh!“ 

    Der Troll schob den Pastor beiseite und rannte zum hinteren Ausgang. 

    Ruhig ging der Mann im Talar zur Flügeltür, hakt sie aus und wünschte dem rotgekleideten Mann einen schönen Tag, der hinter der Tür kaum zu atmen wagte. 

    Johanna 

    Johanna ging gerade zu ihrer Tagschicht im Krankenhaus, als ein Mann in einer roten Jacke, ah, eine Lederjacke, oh, der Ärmel ist eingerissen, mit pfeifendem Atem und gehetztem Blick an ihr vorbeiflitzte. Sie wusste nur, dass er hier irgendwo hauste und nicht zu besten Umgängen gehörte. Der Troll allerdings, der hinter ihm her stampfte, war gar kein guter Umgang und sie hoffte, dass ihr Sohn Karl mit beiden nie verkehren würde. Da ihr der Lederjackenmann allerdings leidtat, entschied sie, dass es Zeit wäre, die Mülltonnen rauszustellen. 

    Gerade in dem Augenblick, als der Troll an ihrer Einfahrt vorbei dröhnen wollte. Dann dröhnte es wirklich. Der ohnehin schon dreckige Mantel des Trolls wurde nun noch dreckiger. Der gesamte Inhalt der Mülltonne samt Tonne verfing sich darin. Der Troll selbst konnte nicht mehr ausweichen und rollte samt Tonne über den Bürgersteig. 

    „Oh nein! Das tut mir aber leid! Haben Sie sich weh getan?“ fragte Johanna besorgt. Als Krankenschwester und Bewohnerin dieses Stadtteiles, war sie den Umgang mit Metas gewohnt. 

    „DREK!“ brüllte der Troll und richtete sich wütend auf. Johanna blieb ruhig stehen und hoffte, der Troll würde sich noch beruhigen. 

    „DIESE RATTE! ICH BRINGE IHN UM!“ 

    „Brüll mal nich so rum, junger Mann!“ 

    Johanna war froh, als sie Hansens Stimme hinter sich hörte. Der Fischer war mit der Lieferung in Maritas Laden gerade fertig geworden. 

    Den Müll aus seinem Mantel schüttelnd eilte der Troll hinkend davon. 

    „Mutig, mien Deern.“ Sagte Hansen zu Johanne die erleichtert aufatmete. „Jo, Hansen.“ 

    „Ist Forrest das wert?“ 

    „Forrest heißt der rote Flitzer? Kenne den gar nicht.“ 

    „Hast nix verpasst.“ 

    Flic und Flac 

    Flic und Flac waren zwei junge Orks, die für ihre kräftige Statur sehr athletisch waren. Gerade trainierten sie mit alten Treckerreifen als Gewicht, da stürmte ein Norm in einer roten Synthlederjacke in ihren Hof. 

    „Flic! Flac! Ich habe einen Auftrag für uns! Könnt ihr mich schnell verstecken? Timotheus ist hinter mir her.“ 

    Nur kurz überlegten die Orks und warfen den eiligen Norm mit dem pfeifenden Atem und der schrecklichen Lederjacke in einen Stapel Treckerreifen. 

    Da stürmte der Troll auch schon heran und schnaubte nicht nur vor Wut. „Wo ist diese Ratte?“ grollte er laut, dass einige Tauben davon flatterten. 

    „Du meinst Forrest? Chummer, ey, der ist hier rein, da die Leiter hoch und über die Mauer weg. Kein Plan was HEY!“ 

    Der Troll schob den Ork mühelos bei Seite und rannte zur Leiter. Die Leiter war allerdings aus Holz und für Norms und vielleicht noch kleinere Orks gemacht. Nicht für Trolle. Die erste Sprosse hielt noch knarzend. Die zweite gab krachend nach. 

    „Drek!“ fluchte der Troll zog sich hoch und schaute über die Mauer. Da er nichts entdecken konnte, drehte er sich zu den Orks um. 

    „Wo geht das da hin?“ 

    „Nachbarhof. Hat einen Ausgang zur Straße. Kannst rüberklettern oder kurz um den Block rum.“ 

    Timotheus entschied sich fürs Klettern und wuchtete seinen riesigen Körper über die Mauer. Den Rums konnte sie noch hören, etwas rollte klappernd davon und schwere Schritte entfernten sich eilig. 

    Nach einer kurzen Pause schaute Flic über die Mauer und gab Entwarnung. 

    „Der ist erst mal weg. Kannst rauskommen, Forrest.“ 

    „Drek! Ich bin fertig. Habt ihr was zu trinken?“ 

    Flic und Flac mussten ihrem Chummer einiges an Wasser bringen, bis er in der Lage war zu reden. 

    Und schnell waren sie überredet, die einfache Extraktion vorzunehmen. So eine oberschlaue Lehrerin, Schule hatten sie nie gemocht, wäre eine einfache Sache und leicht verdientes Geld. 

    Forrest 

    Zufrieden machte sich Forrest auf den Weg zu seiner Unterkunft, als er jäh einen Schraubstock um seinen Arm fühlte. Dieser Schraubstock hatte fünf Finger einer Hand, die größer als sein Kopf war. Diese Hand gehört Timotheus, der bald doppelt so groß wie er war und sehr sehr wütend aussah. 

    „Hey, Timotheus! Schön dich zu“ konnte er noch sagen. Dann war’s aus. 

    Lucia 

    Lucia war inzwischen so neugierig auf den Job, dass sie nach Forrest suchen wollte. So ging sie zu Flic und Flac. Fast angekommen, passierten zwei Dinge. Forrest kam aus dem Hof und Timotheus, dieser riesige Troll von Roswitha, kam um die Ecke und brauchte nur noch zuzupacken. Hilflos musste sie mit ansehen, wie er Forrest packte und zuschlug. Forrest kippte aus den Latschen und der Troll hielt den Ärmel der roten Synthlederjacke in der Hand und warf ihn verächtlich weg. 

    „Lass ihn in Ruhe!“ rief sie dem Troll zu, der jedoch schaute sie nur verächtlich an, wollte Forrest aufklauben, da stutzte er. 

    Eine Krähe saß auf einem Straßenschild und schaute ihn an. 

    Gandalf 

    Gandalf war von Ingeborg gebeten worden, zu schauen, was da draußen los sei. Und Gandalf flog los, setzte sich auf ein Straßenschild und schaute still auf den Troll. Dieser starrte Gandalf an, ließ von dem ohnmächtigen Menschen am Boden ab und richtete sich vorsichtig wieder auf. Nun schaute er zu Gandalf herauf. Gandalf schaute zurück. 

    Die Menschenfrau schaute verwirrt zwischen beiden hin und her. Das konnte Gandalf wahrnehmen. Was die Menschenfrau nicht wahrnehmen konnte, war der Wind, den Gandalf hervorbrachte. Es war nur wenig Wind. Doch bisher war es den ganzen Morgen windstill gewesen und nun weht eine angenehme kühle Brise die Straße herunter und dem Troll ins Gesicht. Blätter begannen sich im Wind zu bewegen. Einige trockene Blätter raschelten. Gandalf sah, dass der Troll sich schüttelte und einen Schritt zurückwich. 

    Und plötzlich panisch davonrannte, als etwas Kleines um seinen riesigen Kopf schwirrte. 

    Ingeborg 

    Ingeborg hatte durch Gandalfs Augen gesehen, was dort vor sich ging. Zwar kannte sie den Mann in der roten Lederjacke nicht, doch die Frau kannte sie vom Sehen her und wusste, dass sie Riggerin war. Und soweit sie wusste, ganz in Ordnung. Da also der Mann am Boden ein Freund von der Frau war und der Troll anscheinend nicht, beschloss sie, zu helfen. 

    Sie beschwor einen Watcher der wie eine kleine bunte Eule aus einem Märchen aussah. Diese bat sie kichernd um den Troll herum zu fliegen, bis er davonlief. Das tat ihre Watcher-Eule. Alsbald rannte der Troll panisch davon. Ingeborg grinste, rief Gandalf und ihre Eule zurück und zu dritt spielten sie, bis die Eule sich auflöste. 

    Doktor Müller 

    Doktor Müller kümmerte sich um Forrest, bis er wieder aus seiner Ohnmacht erwacht war. Flic und Flac hatten ihn in die Praxis geschleppt. Doktor Müller war ein Hausarzt über Tag und nach Feierabend eine Art Streetdoc. Das hatte sich eher zufällig ergeben. Lange Zeit hatte er in mehreren Krankenhäusern als Chirurg gearbeitet um dann eine, wie er dachte, ruhige Hausarztpraxis in einem ruhigen Stadtteil seiner Heimat zu eröffnen. Eines Nachts wurde er Zeuge, wie Runner einen verletzten Chummer aus einem Wagen in ihre Wohnung schleppten. Der Mann blutete aus mehreren Wunden und seinen Chummern war anzusehen, dass sie keine Ahnung hatten, was sie tun sollten. BuMoNa hatte der Mann wohl nicht. So packte Doktor Müller seine Tasche und ging zu den Runnern. Erst wollten sie ihn davonjagen, doch als sie ihn erkannten, ließen sie die Waffen sinken und ihn gewähren. 

    So wurde er ein Streetdoc und erweiterte seine Praxis um einen kleinen Operationssaal. Irgendwann bekam eine seiner Arzthelferinnen mit, dass da noch was lief und heuerte für diesen Nachtdienst an. Die Nachtschichten wurden besser und in bar bezahlt. 

    „Drek! Mein Schädel!“ ächzte Forrest und fluchte dann „MANN, meine Jacke! Verdammter Drek! Das war mein Glücksbringer! Was haben Sie damit gemacht, Doc?“ 

    Lucia kam dem Doc zuvor. „Frag lieber, was Timotheus mit dir gemacht hätte, wenn er schon den Ärmel von der Jacke riss, als sei es Papier. Kannst froh sein, dass er nur die Jacke zerriss und nicht deinen Arm gebrochen hat, Chummer.“ 

    Forrest fluchte einige derbe Schimpfwörter und ließ sich dann Schmerztabletten geben. 

    „Ihr Arm sieht zwar aus, als sei ein PickUp drübergefahren, doch ist das nichts. Ihr Kopf ist so weit in Ordnung und, ja, ich weiß, ja, er tut weh. Sie haben eine Gehirnerschütterung. Dagegen hilft nun Ruhe, Wasser trinken und diese Schmerztabletten.“ 

    Am Empfang wurde es laut. Eine Tür wurde aufgeworfen, eine Arzthelferin rief etwas und die Tür zum Behandlungszimmer flog auf. Timotheus füllte den Rahmen aus und beugte sich durch. 

    Lucia, Flic und Flac und auch Forrest im Liegen zogen ihre Waffen. 

    „STOP!“ rief Doktor Müller sehr laut und sehr bestimmt. Alle hielten inne. Alle! 

    „Waffen runter! Timotheus! Du gibst Ruhe! Hier herrscht Marktfriede! Das weißt du! Auch deinen Arsch habe ich schon mal zusammengeflickt! Im wahrsten Sinne des Wortes. Hier wirst du keinen Unfrieden stiften, So Ka?“ 

    Nur das leise Ticken der Uhr an der Wand war zu hören. Ein Telefon klingelte. Dann schaute Timotheus auf Forrest herab und grollte: 

    „Vierundzwanzig Stunden hast du Ruhe!“ 

    Dann beugte sich der Troll unter der Tür durch und verschwand. Alle atmeten erleichtert aus und ließen die Waffen sinken. 

    Roswitha 

    „Lass ihn erst mal in Ruhe! Er ist es nicht wert und denk an das alte Sprichwort der Klingonen „Rache muss kalt genossen werden!“ 

    „Was sind Klingonen?“ 

    „Egal, kümmere dich um die Bande, Timotheus! Alles andere später.“ 

    Zähneknirschend gehorchte der Troll und ging aus dem Büro. 

    Roswitha schnaubte verächtlich aus. Timotheus war ein brauchbarer Handlanger. Leider aufbrausend und oft unberechenbar. Als Antreiber ihrer Bande war er nützlich. Für Botengänge und andere dreckige Jobs. Für mehr taugte er nicht. Sie entschied, ihn zu entsorgen, wenn sie ihn nicht mehr brauchen würde. Lange würde das nicht dauern. 

    Flic und Flac 

    In der Bude von Flic und Flac besprachen sie das weitere Vorgehen. Forrest warf sich stündlich Schmerztabletten ein und spülte sie mit Bier runter. 

    „Lucia, du fährst das Boot zum Leuchtturm und zurück. Mehr nicht. Ihr beide, Flic und Flac, sorgt dafür, dass Mutter und Tochter an Bord kommen. Ich werde sie weichklopfen und vorbereiten.“ 

    „Sag mal, Forrest,“ warf Lucia ein, „läuft eine Extraktion nicht normalerweise spontan als Überraschung?“ 

    „Ja, klar. Hier geht es nicht, weil die Göre mitmuss. Aus ihrem Haus können wir sie nicht entführen. So starte ich das mit den Drohbriefen. Das wird schon klappen. Vertrau mir. Ist doch nur eine Lehrerin.“ 

    Flic und Flac schnaubten verächtlich. Lucia zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst.“ 

    „Meine ich. Ein Chummer von mir verwanzt gerade ihre Bude und ihr Büro. Ist ein Schüler oder Student oder wie das da heißt von ihr. Er kann sie nicht ausstehen und hält sich für besser, weil sein Papa irgendwas Hohes bei der Marine ist. So bin ich auf dem Laufenden. Wie gesagt, ist nur so eine schlaue Schnalle. Ich habe ihr ordentlich Angst gemacht. Wird ganz einfach.“ 

    Leuchtturm Kiel 

    Forrest und seine kleine Gruppe erinnerten sich zu gut an seine Worte, als mehr Laserpunkte auf ihren Oberkörpern und Köpfen leuchteten, als ein Marienkäfer Punkte hat. Als das Hover auftauchte, die Drohnen sie umkreisten und ein junger Leutnant der Marine mit Sturmgewehr auf sie zukam, ihre Extraktionsopfer in den Arm nahm und sie verhaftete. Als eine Orkfrau und ein verdammt jung aussehender Ork, der die Orkrau Mama nannte, sie zu Boden warfen und sie mit Kabelbindern verschnürten. Als seine Marineleute und sogar mit verfluchten MET2000 Söldner sie abführten und nicht gerade sanft in ein Sturmboot warfen. 

    Doch, das war erst der Anfang. Die Verhöre dauerten Tage. Die Verhöre der Marine waren schon hart. Als dann die berüchtigte Sarah Wagner, die Leiterin des MET2000 Standortes, das Verhör persönlich übernahm, da wünschten sich alle, sie wären in ihrem kleinen Kieler Stadtteil geblieben. 

    Radio 

    „Rostock: In der letzten Nacht kam es in Rostock zu einem Einbruch mit Todesfolge in einer kleinen Forschungsfirma. Die Firma, vor drei Jahren gegründet, wollte in den Navigationsmarkt einsteigen und hatte erste Prototypen vorgestellt. Der Polizei zu Folge sind der Gründer des Unternehmens und sein Kompagnon ums Leben gekommen. 

    Strelasund …“ 

    MTFH – Besprechungsraum Zulu 

    Nervös rieb sich Fähnrich Dürenkopp die Hände. Noch nie war er in diesem speziellen Besprechungsraum gewesen. Die Teilnehmenden der Lehrgänge wurden normalerweise nie in solche Räume gebeten. 

    Nun, gebeten wurde er auch nicht. Und er wurde auch nicht aufgefordert, sich zu setzen. 

    “Fähnrich Dürenkopp! Wir haben den begründeten Verdacht, dass Sie an dem Versuch der Extraktion von Kapitänleutnant Wächter beteiligt waren! 

    Sie haben ihr Büro, ihre Tasche und sogar ihre Wohnung verwanzt!” 

    Der Fähnrich wurde blass. Schweiß stand auf seiner Stirn. 

    “Nein, Herr äh Löwitsch, ich” 

    “Schweigen Sie!” 

    Der Mann vor ihm, immerhin der Leiter der Marinetechnischen Abteilung der MTFH und Veteran diverser kritischer Einsätze schob ihm mit eisiger Mine ein Tablet zu. 

    Darauf lief ein Video, dass den Fähnrich zeigte, wie er kurz die Tasche von Sina Wächter ergriff und dabei etwas hineinfallen ließ. Dann wechselte das Bild und er war zu sehen, wie er das Büro von Frau Wächter betrat und verließ. Beim Betreten hatte er etwas in der Hand. Beim Verlassen nicht mehr. 

    Weitere Aufnahmen zeigten ihn, wie er über Tag das Haus von Sina Wächter betrat. 

    “Die Tech, die Sie verbaut haben, haben wir geprüft. Nicht nur, dass auf einigen lächerlicherweise Ihre Fingerabdrücke zu finden war, an allen Wanzen fanden wir Spuren Ihrer DNA. Was unsere Schamanin noch herausfand, möchte ich hier aus pietätsgründen nicht wiedergeben.” 

    Der Fähnrich krümmte sich unter der Last der Anschuldigungen. 

    “Ihre Laufbahn bei der Marine der Bundeswehr ist beendet! Ich verweise Sie hiermit von der MTFH! Der Fall wird von der Rechtsabteilung und vom MAD geprüft. Die Herren warten bereits draußen auf Sie. Hm? Ja, die beiden Herren in den schlechtsitzenden Anzügen.” 

    “Ich protestiere! Mein Vater ist auch bei der Marine! Ich habe gute Anwälte und” 

    “Die werden Sie auch brauchen! Und nun raus! Ihre Sachen werden Ihnen gebracht und Sie verlassen umgehend das Gelände!” 

    Als er wieder allein war, trat Sina Wächter aus einem Nebenzimmer. 

    “Danke, Wotan.” 

    Ende

    Ein paar Worte zur Geschichte

    Diese Kurzgeschichte ist nicht der Anfang von Shadowrun Kiel. Sie stellt kurz und schnell, oder „Schnell und dreckig“ :-), wichtige Charaktere vor und ich finde, sie ist ein guter Einstieg in die Geschichten von Shadowrun Kiel.

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