Schlagwort: Action

  • Eine von uns

    Eine Kurzgeschichte im Shadowrun-Universum von Peter Groth. Alle Rechte bleiben beim Urheber.

    Nautik 

    „Und damit sollten Sie nun gewappnet sein, wenn alle Navigationssystem auf See ausfallen. Sie werden in der Lage sein, Ihre Position und Ihre Geschwindigkeit und natürlich Ihre Fahrtrichtung festzustellen und so sicher zum Ziel zu kommen.“ 

    Leises zustimmendes Raunen im Saal. 

    „Entschuldigen Sie bitte, Frau Kapitänleutnant. Wie wahrscheinlich ist es in der heutigen Zeit, dass alle Navigationssysteme ausfallen und wir per … Papierkarten navigieren müssen?“ 

    Leises Lachen begleitete diese Frage. 

    Kurz ließ Sina Wächter, Kapitänleutnant der Marine der Bundeswehr, die Frage im Raum stehen und antwortete dann leise und bestimmt: „Glauben Sie mir, Fähnrich Dürenkopp, alles, was schief gehen kann wird schief gehen. Und wenn Sie dann Ihren Rendezvous-Punkt nicht erreichen, nur, weil Sie geglaubt haben, Ihre Technik wird schon funktionieren, dann, genau dann werden Sie fluchen, Ihre Papierkarten zu Hause gelassen zu haben.“ 

    Ihre Stimme war leise und ruhig gewesen und trug dennoch so eine Überzeugung mit sich, dass alle wussten, Frau Kapitänleutnant Wächter wusste, wovon sie sprach. Sie hatte selbst in genau diesem Drek gesteckt, geflucht und den Kurs berechnet. Im Kopf. 

    „Der Unterricht ist beendet. Schönen Feierabend.“ 

    Erstes vorsichtiges Klopfen, dass nur langsam mehr wurde war die Antwort und die Reihen lichteten sich. 

    „Frau Kapitänleutnant, auf ein Wort bitte.“ 

    Der junge Offiziersanwärter schien von der Schule direkt zur Marine gewechselt zu sein und Sina Wächter musste fast ihre Muttergefühle unterdrücken. Abwartend schaute sie ihn an. 

    „Verzeihen Sie, wenn ich nachhake. Ich kann nicht glauben, dass die ganzen Navigationssysteme zusammen ausfallen. Ich meine, wir haben GPS, Galileo, GLONASS, unser eigenes, dass der MET2000, einige private und was weiß ich. Wie sollen die alle ausfallen? Zeitgleich?“ 

    Seine bestimmte Art, ließ sie schmunzeln. Beiläufig strich sie ihre Haare zurück, was ihre Datenbuchse kurz sichtbar werden ließ. Ihr Cyberauge scannte den jungen Marineanwärter. Seine Körpersprache konnte sie ohne Tech lesen. Arroganz, Unglaube, gewisse körperliche Interessen und einiges mehr. Ihr Auge verriet Temperatur der Haut, Pulsschlag und Atemfrequenz. Da war mehr als diese Frage nach der Nautik. 

    „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass stimmt. Dennoch ist es möglich. Und, selbst wenn die Systeme nicht ausfallen. Was ist, wenn Ihre Geräte diese Systeme nicht erreichen? Nein! Warten Sie!” sagte sie die Hand hebend. 

    “Ich sehe, Sie glauben mir nicht, Fähnrich. Doch, ein Sturm mit einer Gewitterfront kann Ihnen den Empfang verderben. Ihre Geräte könnten durch einen Stromschlag ausfallen. Ja, ich sehe, Sie denken an Ihr Handkom. Die gehen als erste kaputt und empfangen als erste bei ausreichenden Störungen nichts mehr. Richtig schlimm ist es, wenn die Systeme zwar funktionieren und von einem Decker gehackt wurden und Sie sicher sind, auf der richtigen Route zu sein und erste eine halbe Meile vor der Untiefe feststellen, dass Ihre Position falsch und Ihre Geschwindigkeit zu hoch ist. Dann bleibt Ihnen nur noch ein Fluch oder ein Gebet, ganz wie Sie mögen. Denken Sie auch an toxische Stürme oder an Geister. Wenn ein Sturmelementar Ihnen den Tag versaut, dann fallen nicht nur die Systeme aus. 

    Und nun entschuldigen Sie bitte, ich muss noch in die Verwaltung und habe dringende private Verpflichtungen. Danke, meine Tasche trage ich allein.“ 

    Lächelnd nickte sie dem jungen Anwärter zu und ging. 

    Die abfällige Bemerkung über ihr Privatleben hinter ihrem Rücken notierte sie sich im Geiste und machte sich auf den Weg zur Schule, um ihre Tochter abzuholen und mit ihr den Nachmittag zu verbringen. Die schönste Zeit des Tages. 

    Ganz in diesen fröhlichen Gedanken versunken, rempelte sie auf dem Weg zum Verwaltungstrakt ein Mann in einer roten Synthlederjacke an. Ein Ärmel dieser Jacke war nur grob angenäht. Er murmelte entweder einen Fluch oder eine Entschuldigung, genau konnte sie es nicht hören und eilte weiter. Erst ein paar Sekunden später fiel ihr ein Zettel auf, den er ihr in die Hand gedrückt hatte. 

    Irritiert las sie, was auf dem Zettel geschrieben stand und wurde blass. 

    „Wir wissen, wo du wohnst. Wir wissen, wo deine Tochter zur Schule geht.
    Zwei Tage. Dann erfährst du mehr. Rede mit niemandem! Wir hören alles!“ 

    Darunter war ein aktuelles Foto ihrer Tochter auf dem Schulhof zu sehen. Über dem Gesicht ihrer Tochter war ein Fadenkreuz abgebildet. 

    Zitternd rief sie über ihr Handkom in der Schule an. 

    „Ja, klar, Frau Wächter, Lena ist hier und spielt. Warum fragen Sie?“ 

    „Ah, ja, gut, danke. Es kann sein, also, es kann sein, dass ich mich verspäte.“ 

    „Kein Problem. Wir sind bis 18:00 Uhr besetzt. Bis nachher, Frau Wächter.“ 

    „Ja, ja, danke, bis nachher.“ 

    Unsicheren Schrittes ging sie zu ihrem Büro und ließ sich auf den Stuhl fallen. Dann schrie sie kurz, fluchte und schlug auf den Tisch. Gerade, als sie sich gefasst hatte und grimmige Entschlossenheit in ihr wuchs, ging die Tür auf. 

    „Frau Wächter? Alles in Ordnung?“ 

    Klaus Löwitsch, ihr Chef und Leiter der Marine-Abteilung der MTFH schaute vorsichtig durch den Türspalt. Sie kannten sich viele Jahre, hatten einige Einsätze gemeinsam durch und sie konnte ihm nichts vormachen. Mit geschlossenen Augen atmete sie tief durch, schrieb hastig etwas auf einen Zettel und sagte energisch: 

    „Ich finde, ich bin unterbezahlt um diesen Haufen junger eingebildeter Gören zu schulen und würde mich gern mit Ihnen über mein Gehalt unterhalten.“ 

    Dabei stand sie auf und reichte ihm einen Zettel. 

    „SOS, Wotan!“ 

    Ihr Chef schaute nur kurz drauf, blickte sie direkt wieder an und nickte. 

    „Nun, Frau Wächter, aktuell besteht da gar keine Möglichkeit. Lassen Sie uns da im nächsten Jahr drüber sprechen. Vorher habe ich keine Budgets und Zeit für sowas. Bis später.” 

    Während dieser Abfuhr winkte er sie fast unmerklich ihm zu folgen. 

    Aus der Zeit der Eurokriege gab es einen alten und selten genutzten Besprechungsraum, der nach dem damaligen Stand der Technik als abhörsicher galt. 

    Dort, im Besprechungsraum Zulu, las er den ersten Zettel und schwieg dann eine Weile. 

    „Ihrer Tochter geht es gut?“ 

    „Ja, ich habe gleich in der Schule angerufen.“ 

    „Gut.“ 

    Mehr sagte er nicht und dachte bei geschlossenen Augen nach. Eine Angewohnheit, die sie in ihrer gemeinsamen Anfangszeit sehr irritierte. Zumal er das auch unter Beschuss zu tun pflegte. Sie lernte schnell, dass er dann, egal wie brenzlig die Situation war, die bestmögliche Entscheidung traf und vielen Menschen damit das Leben rettete. 

    „Holen Sie Ihre Tochter ab. Fahren Sie nach Hause! Sie hören von mir.“ 

    Zu Hause angekommen, nahm Sina ihre Tochter Lena erst mal lange in dem Arm und begann dann, das Haus zu sichern. Soweit dass für ein normales Reihenhaus in einer normalen Gegend für eine normale Person möglich war. 

    Auf der Fahrt nach Hause, hatte Sina ihrer Tochter mit einer unverfänglichen Frage erklärt, dass sie bedroht würden. 

    Ihr Handkom meldete sich. „Spielen Sie mit!“ Mehr schrieb ihr Chef nicht und da klingelte es schon an ihrer Haustür. 

    Über ihr Handkom, dass das Bild der Türkamera zeigte, sah sie einen Mann ungefähr in ihrem Alter mit einem Jungen an seiner Seite. Beide trugen Sporttaschen in ihren Händen. 

    Sie öffnete die Tür. 

    „Hallo,“ rief der Junge gleich, „ist Lena schon da?“ und stürmte in die Wohnung. 

    „Hallo Sina, schön dass es klappt. Ist ja lange her, nicht wahr.“ 

    Der ihr unbekannte Mann umarmte sie herzlich und flüsterte ihre dabei ins Ohr. 

    „Verzeihen Sie, Leutnant Werner, Ihr Personenschutz.“ 

    Wie selbstverständlich ging er in die Wohnstube und ließ seine schwere Sporttasche fallen. Aus dieser holte er ein elektronisches Gerät hervor, dass wie ein Handkom mit Antenne aussah. Ein weiteres Gerät schloss er an ihre Haustech an. 

    Er agierte mit den Geräten, als sei es so natürlich wie atmen und erzählte dabei fröhlich von seiner letzten Segeltour von Kappeln nach Kiel. Nur wenige Critter hätten sie gesehen, Ruhe vor den Roc gehabt und keine Fische geangelt. 

    “Nicht einen Fisch, kannst du dir das vorstellen?” 

    Hier und da schaute er sich um und sah sich jedes Zimmer an. Er kam mit einem Zettel in der Hand zurück. 

    „Werden abgehört. Jedes Zimmer. Keine Kameras.“ 

    Laut sagte er: „Kinder, ich habe euch eure neuen Sporttrikots mitgebracht. Zieht sie doch bitte an. Ich möchte sehen, ob sie passen.“ 

    Außer sechs riesigen Sporttrikots holte er noch Schutzwesten hervor, die ihre Tochter und sein Sohn direkt anzogen und das Trikot darüber warfen. Sina und Werner taten es ihnen gleich. 

    Es klingelte wieder. Sina ließ eine Orkfrau mit einem jungen Ork an ihrer Seite rein. Erst dachte sie, es sei der Sohn der Orkin. Doch, auf den zweiten Blick erkannte sie, dass er nur jung gekleidet war. Sicher war er schon Anfang zwanzig alt. 

    „Hallo Sina, Schätzchen. Herrlich, dass wir es endlich zum Grillen geschafft haben. Das wurde aber auch Zeit. Schön, dass die alte Landratte Werner auch da ist. Lasst uns gleich den Grill anschmeißen, was? Bier habe ich auch dabei.“ 

    „Lass mich bitte den Grill anmachen, Mama.“ 

    Sina musste bei den Worten grinsen. Immerhin war dies ein erwachsener Ork, der seine Mama um Erlaubnis bat wie ein kleiner Junge. 

    Der Abend verlief ruhig und ab und an konnte Sina vergessen, dass sie bedroht wurde. Das Soyfleisch war lecker, das Bier süffig, das Wetter spielte auch mit. 

    Leutnant Werner hatte ihr Notizen geschrieben, die er auf der Toilette hinterließ. 

    Er war, ebenso wie die Orkin Hauptbootsmann Sast, zu ihrem Schutz bestellt. Sast und er würden abwechselnd bei ihr übernachten. Sie war dankbar. 

    Zweite Nachricht 

    Sina freute sich fast, wieder nach Hause zu kommen. Immerhin wusste sie, dass Leutnant Werner dort wäre. Ihre Tochter erzählte begeistert, dass sein Sohn ihr gegen einige größere Jungs in der Schule geholfen hatte und diese künftig wohl einen großen Bogen um sie machen würde. Sina fragte lieber nicht nach Details. 

    Das volle Haus war ungewohnt. Sie wohnte, seit ihr Mann sie verlassen hatte, mit ihrer Tochter allein. Leutnant Werner und Sohn brachten ungewohnte Situationen mit sich. Immerhin benutzten nun vier statt zwei Leute das Bad. Die Couch war fast zu klein und die Küche auch nicht für vier Leute ausgelegt. 

    Das Klingeln an der Haustür riss sie wieder in die Realität. 

    Auf der Fußmatte lag ein Zettel. Zu sehen war niemand. Das observierende Team sah einen Jungen, der eilig zur Tür lief, den Zettel hinlegt und verschwand. Zwei Leute wollte ihm folgen, doch er war durch eine Lücke in einem Zaun verschwunden und nicht mehr zu sehen. Die Bildauswerter bekamen den Auftrag der Identifizierung. 

    „Ihr neuer Stecher soll Urlaub machen! Sie packen Ihre wichtigsten Sachen für Sie und Ihre Tochter! Heute Abend werden Sie abgeholt und zu Ihrem neuen Arbeitgeber gebracht. Es lohnt sich. Finanziell wie materiell. Denken Sie an ihre Tochter!“ 

    Sie sollte mit ihrer Tochter um ein Uhr nachts zur Seebrücke Mönkeberg kommen und dort warten. Nur ungern verabschiedete sie Leutnant Werner und packte ein paar Sachen. 

    Seebrücke Mönkeberg 

    Trotz der warmen Jahreszeit war es um diese Uhrzeit kühl auf der Seebrücke. Die Sonne ging unter. Der leichte Wind machte es nicht besser. Ein Jetski düste den Strand entlang wohl auf dem Weg in den heimischen Hafen. 

    Sina zitterte sicher nicht nur vor Kälte. Ihre Tochter klammerte sich müde an sie. Sie beide hatten Angst. Die Entführer hatten sich den heutigen Tag über fast offen gezeigt, so sicher waren sie sich. Der Mann mit dem rattigen Gesicht und der roten Synthlederjacke stand in der Nähe der Schule. 

    Ein Boot näherte sich schnell und stoppte hart auf vor der Seebrücke. 

    Vier vermummte Gestalten mit Maschinenpistolen sicherten die Umgebung. 

    „Du bist brav gewesen. Sehr gut. Deinen albernen Unterricht haben wir überwacht. Deine Göre auch. Los, steig ein! Wir bringen dich zu deinem neuen Brötchengeber.“ 

    Selbst die Stimme erinnerte Sina an das Quieken einer Ratte. Ihr lief ein Schauder über den Rücken. 

    „Erst will ich wissen, wer das ist!“ Sina wollte Zeit schinden. Immerhin hoffte Sie auf die Orkin oder den Leutnant. Doch sie standen allein auf der Brücke, unter sich das dunkle Wasser der Kieler Förde und vor sich das schwarze Boot. 

    „Mach keine Mätzchen und steig ein. Wir sollen dich lebend übergeben. Von gesund war nicht die Rede.“ 

    „Nein! Ich werde nicht mitkommen, bevor ich nicht weiß, was hier gespielt wird! Ich“ 

    Weiter kam sie nicht. Zwei der Vermummten mit überraschend ähnlicher Ork-Statur sprangen die Treppe hoch und packten sie und warfen sie an Bord. Die Taschen kickten sie wie Fußbälle nach unten. 

    Dann ging eine wilde Fahrt los. Die Pilotin, über ein Kabel mit dem Boot verbunden, legte den Hebel auf den Tisch, die elektrischen Motoren heulten auf und das Boot erwachte regelrecht zum Leben. Es sprang über die Wellentäler und schien zu fliegen. 

    Sina und ihre Tochter wurden auf die Polster am Heck geworfen und hielten sich krampfhaft fest. Zwar konnte sie sich verteidigen, doch ihre Tochter hatte erst vor wenigen Monaten mit dem Training begonnen und gegen Schusswaffen war waffenlos schwer anzukommen. 

    Der Wind ließ ihre Haare wehen. Gischt benetzte sie alle. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie diese Fahrt genossen. 

    Nun saßen die beiden vermummten Orks mit Waffen in der Hand und ließen sie nicht aus den Augen. Nein, schwimmen wollten sie nicht.

    Kiel Leuchtturm

    Bald hatten sie die Förde verlassen und näherten sich Kiel Leuchtturm. Dort angekommen wurden sie auf den Kai gezerrt und an den Fuß des Leuchtturmes gestellt. 

    „Warten!“ grunzte einer der vermummten Gestalten, ihre Taschen auf die Mole werfend. 

    Ein Hover näherte sich. Bald lag es auch in dem künstlichen Hafen des Leuchtturmes. 

    „Rein!“ kam nun der grobe Befehl und sie wurde auf die Beine gezerrt. 

    Der Anführer in der roten Synthlederjacke ging vor und erstarrte plötzlich. 

    Es passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Mehrere Hover und Jetski näherten sich, Drohnen senkten sich so weit aus dem nächtlichen Himmel herab, dass man sie sehen und hören konnte und ein kleines U-Boot tauchte auf. 

    Diverse rote Leuchtpunkte tanzten über die vermummten Entführer und diese sahen sich plötzlich einer Übermacht gegenüber. Die beiden Orks gaben zuerst auf und legten die Waffen auf den Boden. Dann hob die Riggerin ihre Hände. 

    „Drek!“ grunzte der Anführer in seiner roten Synthlederjacke und hob auch die Hände. 

    Leutnant Werner und Hauptbootsmann Sast mit ihrem Sohn stiegen mit Sturmgewehren bewaffnet auf den Kai, den Finger am Abzug, hielten Abstand zu den Entführern und sicherten Sina und ihre Tochter. Alle sahen aus, als hätten sie Lust, den Abzug durchzuziehen. Die Entführer wurden mit Kabelbindern verschnürt und auf das größere Hoverboot verbracht. 

    Dankbar umarmte Sina den Leutnant und die Hauptbootsmann. 

    Besprechungsraum Zulu 

    „Frau Wächter, wir haben inzwischen Grund zur Annahme, dass Sie zu einer neuen aufstrebenden Techbude extrahiert werden sollten.“ 

    „Ich? Warum das denn?“ fragte Sina ihren Chef überrascht. 

    Ebenso überrascht hatte sie die Anwesenheit weiterer Kollegen der MTFH. Anwesend waren die Leiterin der MTFH-Abteilung von MET2000, der Chefingenieur der Werft und ihr Chef selbst. 

    „Nun, wir vermuten, dass es um Ihre Forschung und Entwicklung im Bereich der Navigationstechnik geht. Diese sind zwar geheim, doch, auch bei MET2000 wissen wir, was die Marine interessiert und woran die beste Nautik-Dozentin der MTFH arbeitet, wenn sie nicht gerade ihre Studierenden mit Sextanten bewirft und Karten um die Ohren haut.“ 

    Ruhig hatte die MET2000 Kollegin ihr diese eigentliche geheime Information offenbart und ihr Chef und der Chefingenieur der Werft husteten überrascht. Sina räusperte sich. Die Geschichte mit dem Sextanten war lange her, ihr peinlich und hatte ihr in ihrer Anfangszeit als Dozentin einen hilfreichen Ruf beschert. 

    „Und unserunseren Geheimdienst ist auch nicht dumm,“ sagte die MET2000 Kollegin. 

    „Ah, so. Verstehe“ gab Sina lahm zurück. „Und was haben Sie dann gemacht?“ 

    „Ganz einfach.“ Ihr Chef hatte sich gefangen. „Die Kollegin von MET2000 und ein Freund des KSK-Marine führten eine Übung durch. Observation einer Zielperson. Diese Observation lief an dem Tag an, als Sie mir den Zettel zeigten.“ 

    „Sie lief da bereits? Heißt dass, ich wurde überwacht?“ 

    „Dass Sie das nicht bemerkt haben, spricht für unser Team“ gab die MET2000 Offizierin lächelnd zurück. 

    „Die Werft stellte uns für diese Übung allerhand Spielzeug zur Verfügung, die unsere Leute regelrecht nervös gemacht haben. Einige Prototypen, die richtig was können.“ 

    Der Chefingenieur meldete sich zu Wort. 

    „Ja, wir haben einiges an Drohnen und eine neue Art U-Boot als Versuch rausgegeben. Was ein übliches Vorgehen ist, wenn wir kurz vor Marktreife sind. Ich kann bestätigen, was ihr Chef sagte. Die Leute von MET2000 und der Marine bekamen einen seligen Blick und weiche Knie, ob der Tech, die ich mitbrachte.“ 

    „Wir überwachten Sie rund um die Uhr. Leutnant Werner und Hauptbootsmann Sast blieben im Wechsel bei Ihnen, bis wir mehr wussten.“ 

    „Das war schon viel. Leutnant Werner brachte sogar seinen Sohn in Gefahr. Und sie schickten Hauptfeld Sast und Sohn zu mir.“ 

    Ihr Chef legte ihr seine Hand beruhigen auf ihre. 

    „Nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht haben, lasse ich Sie bestimmt nicht im Stich.“ 

    Interessiert schaute die MET2000 und der Chefingenieur der Werft auf. 

    Ihr Chef winkte ab. „Opa erzählt vom Krieg. Lassen wir das. Vielleicht später einmal.“ 

    Gedanklich war Sina einige Jahre zurückgeworfen worden und sah riesige Wellen schmutzigen Ostseewassers auf sich zurollen, Blitz und Donner auf sie niedergehen, als wären alle Götter und Geister dieser Welt wütend auf sie und Raketen an ihrem Schiff vorbeizischen. Sie schüttelte sich kurz und war wieder im Besprechungsraum Zulu. 

    „Was war mit meiner Tochter?“ 

    „Der Sohn von Hauptfeldwebel Sast und von Leutnant Werner machten einen Schüleraustausch in der Klasse Ihrer Tochter. Alle hatten ein kleines Team als Rückendeckung.“ 

    Die Offizierin des MET2000 erklärte weiter. 

    „Leider mussten wir so lange wie es ging, warten. Nur so konnten wir möglichst viele Informationen gewinnen. Wobei Sie mehr Drohnen am Hintern kleben hatten, als sie wissen wollen. Uns war bald klar, dass die Runner keine wirklichen Infos hatten. So konnten wir riskieren, etwas weiter als uns lieb war zu gehen. Als das Hover der Entführer am Leuchtturm ankam, beschlossen wir, die Sache zu beenden.“ 

    „Unsere Werft hatte zwei neue Überwachungsdrohnen als, äh, Test unter realen Bedingungen geliehen. Das U-Boot ist auch ein Prototyp. Ein sehr guter, wie ich stolz sagen und den Daten entnehmen konnte, die wir durch diesen Einsatz bekamen.“ 

    „Unsere KSK hat Kampfdrohnen geschickt. MET2000 die Jetski. Alles in allem war es eine gemeinsame Übung vom MET2000, der Werft und uns, der Marine. Etwas, was wir lange schon mal machen wollten.“ 

    „Aber … warum taten sie das alles für mich? Ich meine, ich bin eine Dozentin der Nautik und Ingenieurin in einem eher kleinen Forschungsprojekt.“ 

    Ihr Chef fuhr sie an. „Nun stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Sie sind die beste Nautikerin, die ich je kennengelernt haben. Egal, ob bei Sturm und Beschuss, Sie haben den Kurs immer und meist im Kopf berechnet, auch ohne Tech. 

    Und, zu unser aller und dem Glück der Studierenden, können Sie dieses Wissen auch noch so vermitteln, dass dieser trockene Stoff alle verstehen und lernen. Ihre Forschungsarbeit meistern Sie mit ebensolcher Akribie und Hingabe. Sowas lasse ich mir doch nicht von ein paar dahergelaufenen Runnern nehmen!“ 

    „Im Namen von MET2000 kann ich Ihnen die Worte Ihres Chefs bestätigen. Unsere Leute, die bei Ihnen gelernt haben, sind durchweg begeistert. Anfangs natürlich nicht. Später dann schon.“ Sie grinste kurz. „Sina, wir kennen uns seit einigen Jahren und ich wage zu behaupten, dass wir hier schon sowas wie eine kleine Gemeinschaft sind. Auch wenn uns die Arbeitgeber trennen. 

    Kurz: Sie sind eine von uns!“

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    Quelle: Link zu VGSD.de

  • Run, Forrest! Run!

    Eine Kurzgeschichte im Shadowrun-Universum von Peter Groth. Alle Rechte verbleiben beim Urheber.

    Forrest 

    Forrest zog sich seine rote Synthlederjacke über. Sie war sein Markenzeichen und brachte ihm Glück. Bis heute. 

    Frohlockend verließ er seine momentane Unterkunft, eine einfache kleine Wohnung in einem mehr oder weniger guten Stadtteil auf dem Ostufer von Kiel. Zu seinem Leidwesen wohnte er über einem Fischladen. Er mochte keinen Fisch und noch weniger den Geruch. Heute jedoch grüßte er Marita, die resolute Inhaberin und seine Vermieterin fröhlich. 

    Marita 

    Marita wunderte sich sehr über den geradezu aufgekratzten Forrest. So kannte sie ihn gar nicht. Meist machte der Mann mit der roten Synthlederjacke und dem Gesicht einer Ratte einen weiten Bogen um ihre Ladentür. Nen Fischkopp, der kein Fisch mag. Komischer Kauz

    Sie winkte ihm zu und kümmerte sich lieber um die Lieferung frischen Fisches, die Hansen gerade gebracht hatte. Hansen, dass war ein Mann! Nicht lang schnacken, anpacken! Das war seine Devise. Wenn er sie mal anpacken würde … 

    Hansen 

    Hansen schleppte mit seinen Jungs, wie er seine Mannschaft nannte, die Fischkisten in Maritas Laden. Dabei wich er diesem Forrest aus. Er mochte den Flegel nicht. Scheute die Arbeit, wo es nur ging und die Leute, mit denen er sich rumtrieb, waren Hansen auch nicht geheuer. Umso überraschter war er, als er seine Kiste abstellte, mit Marita ein paar Worte wechselte und Forrest breit grinsend eine Kiste in den Laden schleppte. 

    „Zur Feier des Tages! Einen wunderschönen Tag noch!“ rief er und verschwand. 

    Lucia 

    Egal wer da gerade so penetrant um diese verfragged frühe Uhrzeit zu klingeln wagte, er würde es bereuen, Drek verdammter! Lucia würden den frühen Vogel eher braten als ihn was fangen lassen und hatte außerdem einen wunderschönen Traum vom traumhaft blauen Meer, weißer Sandstrand, ein Schirmchen-Drink und einem starken braungebrannten RRRRING! War der Traum aus. 

    Was zur Hölle? Ich bring dich um! Wer auch immer du bist! 

    Müde schlurfte sie zur Tür und riss diese auf. 

    „Lucia, Schätzchen, schön dich zurgs!“ 

    All die netten Worte konnten nicht über seine geölte Zunge kommen da Lucias Hand seine Kehle umschloss, als wäre sie in eine Schraubzwinge geraten. 

    „Drek! Ich hasse Dich! Was willst du, Forrest?“ 

    Da der Mann in ihrer Hand kaum noch atmen konnte und am Türrahmen festgenagelt war, gab er nur ein schwaches Krächzen von sich und wedelte mit der Hand. Sein Gesicht verfärbte sich bereits. 

    Sie ließ ihn frei, ging in die Küche und machte sich einen Soykaff. Forrest rang noch eine Weile mit sich und der Luft, die endlich wieder seine Kehle durchdrang. 

    Wortlos hielt sie ihm einen Becher hin und nickte auffordernd. 

    „Hab ‘nen Auftrag“, krächzt er. „Ganz einfache Extraktion. Für ne neue Techbude aus aus, hab ich vergessen. Ist auch egal. Rostock oder Wismar oder so.“ 

    „Warum einfach? Was soll ich tun?“ Lucia war im Anblick des Leidenden und nach den ersten zwei Schluck Soykaff deutlich milder gestimmt. 

    „Ist so’ne Lehrerin von der MTFH, weißt du? Nix wildes also. Sie und ihre Tochter bringen wir bis Kiel Leuchtturm und bekommen das Geld. Lockerer Job.“ 

    „Locker ist es nie, wenn es locker heißt. Wenn sie ein Kind hat, ist das zusätzliche Last, So Ka?“ 

    „So Ka! Bist du dabei? Geht in wenigen Tagen los.“ 

    „Ich denk drüber nach. Verpiss dich!“ 

    „Jau, ich frag Flic und Flac. Deren Muskeln können wir brauchen.“ 

    Etwas wacher schaute Lucia aus dem Fenster und sah Forrest über die Straße gehen, einen riesigen Typen anrempeln, der um eine Ecke trat und dann losflitzen, wie sie ihn nie flitzen sah. Der Riese lief ihm direkt nach. 

    „Drek! Hoffentlich verpatzt er es nicht wieder.“ 

    Timotheus 

    Timotheus hatte schlechte Laune. So richtig schlechte Laune. Seine Chefin Roswitha hatte ihm gerade den Arsch aufgerissen, dass die Bande nicht spurte und einen Auftrag vermasselt hatte. Einen wichtigen Auftrag. Das ließ sie an ihm aus und er sollte die Bande scheuchen. So in finsteren Gedanken ging er aus der Gasse auf die Straße, zumindest wollte er das, da rannte ihm ein Norm in die Quere. Was bedeutet, dass der kleine Norm gegen ihn rannte, als sei er gegen einen Baum gerannt. Der Troll schaute so grimmig nach unten, dass Wasser bei dem Blick gefroren wäre. Dann hellte sich seine Mine auf. Ein böses Grinsen machte sich in seinem mit Hauern bewährten Gebiss breit. 

    „Forrest! Gut, dass ich dich treffe. Du schuldest HEY!“ 

    Timotheus kam kaum mit dem Blick hinterher, so schnell war Forrest mit panischem Blick losgeflitzt. “Ach man!” 

    Er rannte hinterher. 

    Susi 

    Susi saß gerade hinter dem Empfangstresen ihres kleinen Hotels, als die Tür aufgeworfen wurde, die Glocken wild bimmelten, die Tür gegen den Stopper knallte und hinter der eiligen Gestalt in roter Jacke wieder zuschlug. 

    „Morgen, Susi!“ hörte sie noch, da war der Typ schon an ihr vorbei und zur Küche raus. Sie überlegte noch, ob Forrest, so hieß ihr Ex, eilig auf Klo oder was essen musste, da schepperte die Tür erneut, diesmal lauter, irgendwas fiel von der Wand und es klang so, als wäre eine Scheibe gesprungen. Die Glocken wollten klingeln, doch ein riesiger Kopf schob sich unter dem Türrahmen durch. Der riesige Kopf gehörte zu seinem riesigen Troll mit riesigen Hörnern die den kleinen Türglocken den Gar aus machten. Kurz sah es lustig aus, wie die Glocken an den Hörnern hingen, da riss der Troll sie auch schon ab und brummte ein „Tschuldigung. Wo isser hin?“ 

    Susi schaute ihn noch mit weiten Augen an und zeigte dann die Treppe hoch. Leider fiel nun laut hörbar die Außentür der Küche ins Schloss und der Troll ging mit den grollenden Worten „Netter Versuch!“ zur Küche und entschwand. 

    Die Glocken legte er noch sorgfältig auf dem Tresen ab. 

    Dietrich 

    Dietrich lebte schon lange als Squatter in Ellerbek. Alle kannten ihn, alle mochten ihn leidlich und viele gaben ihm von dem wenigen, was sie hatten. So gut er konnte, half Dietrich auch aus. Leider war es mit seinen geistigen Fähigkeiten nicht weit her. So traute man ihm gerade zu, Dinge von A nach B zu bringen, mal ein Auto zu waschen oder den Bürgersteig zu fegen. 

    „Didi! Halt ihn auf, wenn du kannst. BITTE!“ 

    „Forrest! Wohin so eilig?“ Doch Forrest war schon an seinem momentanen Schlafplatz vorbeigeflitzt. „So schnell war der noch nie.“ Da sah der Squatter Timotheus wie ein wütendes Dampfross aus der Tür des Hotels kommen und auf ihn zu eilen. Didi überlegte nicht lange und streckte sein Bein aus. 

    „AAAAAAAARGH!“ schrie der Troll und legte sich lang hin. Es war, als wäre ein Baum gefallen. 

    „Ups!“ sagte Didi entschuldigend und dann legte sich ein Schatten über ihn. Der Troll stierte ihn mit wütendem Blick von oben herab an. 

    „Sorry, Chummer. War keine AAAAAA“ 

    Der Troll hob ihn hoch als sei er eine Puppe, schüttelte ihn durch und warf ihn in die Mülltonne. Gerade wollte er sich erneut auf den armen Didi stürzen, als er hinter sich Susi hörte. 

    „Lass es, Timotheus!“ 

    Langsam drehte der Troll sich zu der kleinen Frau um und staunte nicht schlecht. Sie hielt eine Schrotpistole in der Hand und hielt sie locker in seine Richtung. 

    „Reicht für heute, nicht wahr? Oder soll ich Roswitha sagen, dass du meine Tür zerstört und diverse Essen ruiniert hast?“ 

    Grunzend stellte Timotheus Dietrich wieder auf den Bürgersteig, etwas Müll fiel zu Boden. Grunzend zog der Troll ab und verschwand in die Richtung die Forrest genommen hatte. 

    „Komm, Didi, ich geb ein Frühstück aus.“ 

    Sie half ihm auf. „Oha! Und eine Dusche und Wäsche waschen ist wohl auch wieder dran.“ 

    „Danke, liebe Susie. Bist ein Schatz. Ist das Essen denn nicht ruiniert?“ 

    „Ach wo, Timotheus hat nur etwas Besteck und eine Pfanne runtergeworfen und die Türglocken abgerissen. Halb so wild. Da ich Roswitha kenne, hat die Drohung zum Glück geholfen.“ 

    Gemeinsam gingen sie durch den Lieferanteneingang ins Hotel. 

    Pastor Lehmann 

    Pastor Lehmann bereitete gerade die Messe vor und stellte neue Kerzen auf, rückte Gesangsbücher zurecht und stellte Bänke und Stühle gerade, als die Flügeltür des Gemeindehauses aufgeworfen wurde. „Pastor!“ rief ein Mann in einer roten Lederjacke und blieb am Griff hängen. „Oh nein! Meine Jacke! Drek! Verfluchter Drek!“ 

    „Mein Sohn, ich muss schon bitten!“ 

    „Pastor, wo geht es hier raus? Es eilt!“ 

    Nervös schaute der komische Mann in der nun eigerissenen roten Jacke aus dem Fenster. 

    „Nun, du kannst hier nach hinten raus. Allerdings ist das nur unser gemütlicher Hinterhof ohne Ausgang.“ 

    „Drek!“ 

    Da flogen beide Türflügel auf und hakten laut protestierend in die Haken am Boden. Heller wurde es trotzdem nicht. Ein riesiger Troll stand in der Tür. 

    „Wo isser hin?“ grollte der. 

    „Ich habe ihm gesagt, dass er dort hinten raus kann und oh!“ 

    Der Troll schob den Pastor beiseite und rannte zum hinteren Ausgang. 

    Ruhig ging der Mann im Talar zur Flügeltür, hakt sie aus und wünschte dem rotgekleideten Mann einen schönen Tag, der hinter der Tür kaum zu atmen wagte. 

    Johanna 

    Johanna ging gerade zu ihrer Tagschicht im Krankenhaus, als ein Mann in einer roten Jacke, ah, eine Lederjacke, oh, der Ärmel ist eingerissen, mit pfeifendem Atem und gehetztem Blick an ihr vorbeiflitzte. Sie wusste nur, dass er hier irgendwo hauste und nicht zu besten Umgängen gehörte. Der Troll allerdings, der hinter ihm her stampfte, war gar kein guter Umgang und sie hoffte, dass ihr Sohn Karl mit beiden nie verkehren würde. Da ihr der Lederjackenmann allerdings leidtat, entschied sie, dass es Zeit wäre, die Mülltonnen rauszustellen. 

    Gerade in dem Augenblick, als der Troll an ihrer Einfahrt vorbei dröhnen wollte. Dann dröhnte es wirklich. Der ohnehin schon dreckige Mantel des Trolls wurde nun noch dreckiger. Der gesamte Inhalt der Mülltonne samt Tonne verfing sich darin. Der Troll selbst konnte nicht mehr ausweichen und rollte samt Tonne über den Bürgersteig. 

    „Oh nein! Das tut mir aber leid! Haben Sie sich weh getan?“ fragte Johanna besorgt. Als Krankenschwester und Bewohnerin dieses Stadtteiles, war sie den Umgang mit Metas gewohnt. 

    „DREK!“ brüllte der Troll und richtete sich wütend auf. Johanna blieb ruhig stehen und hoffte, der Troll würde sich noch beruhigen. 

    „DIESE RATTE! ICH BRINGE IHN UM!“ 

    „Brüll mal nich so rum, junger Mann!“ 

    Johanna war froh, als sie Hansens Stimme hinter sich hörte. Der Fischer war mit der Lieferung in Maritas Laden gerade fertig geworden. 

    Den Müll aus seinem Mantel schüttelnd eilte der Troll hinkend davon. 

    „Mutig, mien Deern.“ Sagte Hansen zu Johanne die erleichtert aufatmete. „Jo, Hansen.“ 

    „Ist Forrest das wert?“ 

    „Forrest heißt der rote Flitzer? Kenne den gar nicht.“ 

    „Hast nix verpasst.“ 

    Flic und Flac 

    Flic und Flac waren zwei junge Orks, die für ihre kräftige Statur sehr athletisch waren. Gerade trainierten sie mit alten Treckerreifen als Gewicht, da stürmte ein Norm in einer roten Synthlederjacke in ihren Hof. 

    „Flic! Flac! Ich habe einen Auftrag für uns! Könnt ihr mich schnell verstecken? Timotheus ist hinter mir her.“ 

    Nur kurz überlegten die Orks und warfen den eiligen Norm mit dem pfeifenden Atem und der schrecklichen Lederjacke in einen Stapel Treckerreifen. 

    Da stürmte der Troll auch schon heran und schnaubte nicht nur vor Wut. „Wo ist diese Ratte?“ grollte er laut, dass einige Tauben davon flatterten. 

    „Du meinst Forrest? Chummer, ey, der ist hier rein, da die Leiter hoch und über die Mauer weg. Kein Plan was HEY!“ 

    Der Troll schob den Ork mühelos bei Seite und rannte zur Leiter. Die Leiter war allerdings aus Holz und für Norms und vielleicht noch kleinere Orks gemacht. Nicht für Trolle. Die erste Sprosse hielt noch knarzend. Die zweite gab krachend nach. 

    „Drek!“ fluchte der Troll zog sich hoch und schaute über die Mauer. Da er nichts entdecken konnte, drehte er sich zu den Orks um. 

    „Wo geht das da hin?“ 

    „Nachbarhof. Hat einen Ausgang zur Straße. Kannst rüberklettern oder kurz um den Block rum.“ 

    Timotheus entschied sich fürs Klettern und wuchtete seinen riesigen Körper über die Mauer. Den Rums konnte sie noch hören, etwas rollte klappernd davon und schwere Schritte entfernten sich eilig. 

    Nach einer kurzen Pause schaute Flic über die Mauer und gab Entwarnung. 

    „Der ist erst mal weg. Kannst rauskommen, Forrest.“ 

    „Drek! Ich bin fertig. Habt ihr was zu trinken?“ 

    Flic und Flac mussten ihrem Chummer einiges an Wasser bringen, bis er in der Lage war zu reden. 

    Und schnell waren sie überredet, die einfache Extraktion vorzunehmen. So eine oberschlaue Lehrerin, Schule hatten sie nie gemocht, wäre eine einfache Sache und leicht verdientes Geld. 

    Forrest 

    Zufrieden machte sich Forrest auf den Weg zu seiner Unterkunft, als er jäh einen Schraubstock um seinen Arm fühlte. Dieser Schraubstock hatte fünf Finger einer Hand, die größer als sein Kopf war. Diese Hand gehört Timotheus, der bald doppelt so groß wie er war und sehr sehr wütend aussah. 

    „Hey, Timotheus! Schön dich zu“ konnte er noch sagen. Dann war’s aus. 

    Lucia 

    Lucia war inzwischen so neugierig auf den Job, dass sie nach Forrest suchen wollte. So ging sie zu Flic und Flac. Fast angekommen, passierten zwei Dinge. Forrest kam aus dem Hof und Timotheus, dieser riesige Troll von Roswitha, kam um die Ecke und brauchte nur noch zuzupacken. Hilflos musste sie mit ansehen, wie er Forrest packte und zuschlug. Forrest kippte aus den Latschen und der Troll hielt den Ärmel der roten Synthlederjacke in der Hand und warf ihn verächtlich weg. 

    „Lass ihn in Ruhe!“ rief sie dem Troll zu, der jedoch schaute sie nur verächtlich an, wollte Forrest aufklauben, da stutzte er. 

    Eine Krähe saß auf einem Straßenschild und schaute ihn an. 

    Gandalf 

    Gandalf war von Ingeborg gebeten worden, zu schauen, was da draußen los sei. Und Gandalf flog los, setzte sich auf ein Straßenschild und schaute still auf den Troll. Dieser starrte Gandalf an, ließ von dem ohnmächtigen Menschen am Boden ab und richtete sich vorsichtig wieder auf. Nun schaute er zu Gandalf herauf. Gandalf schaute zurück. 

    Die Menschenfrau schaute verwirrt zwischen beiden hin und her. Das konnte Gandalf wahrnehmen. Was die Menschenfrau nicht wahrnehmen konnte, war der Wind, den Gandalf hervorbrachte. Es war nur wenig Wind. Doch bisher war es den ganzen Morgen windstill gewesen und nun weht eine angenehme kühle Brise die Straße herunter und dem Troll ins Gesicht. Blätter begannen sich im Wind zu bewegen. Einige trockene Blätter raschelten. Gandalf sah, dass der Troll sich schüttelte und einen Schritt zurückwich. 

    Und plötzlich panisch davonrannte, als etwas Kleines um seinen riesigen Kopf schwirrte. 

    Ingeborg 

    Ingeborg hatte durch Gandalfs Augen gesehen, was dort vor sich ging. Zwar kannte sie den Mann in der roten Lederjacke nicht, doch die Frau kannte sie vom Sehen her und wusste, dass sie Riggerin war. Und soweit sie wusste, ganz in Ordnung. Da also der Mann am Boden ein Freund von der Frau war und der Troll anscheinend nicht, beschloss sie, zu helfen. 

    Sie beschwor einen Watcher der wie eine kleine bunte Eule aus einem Märchen aussah. Diese bat sie kichernd um den Troll herum zu fliegen, bis er davonlief. Das tat ihre Watcher-Eule. Alsbald rannte der Troll panisch davon. Ingeborg grinste, rief Gandalf und ihre Eule zurück und zu dritt spielten sie, bis die Eule sich auflöste. 

    Doktor Müller 

    Doktor Müller kümmerte sich um Forrest, bis er wieder aus seiner Ohnmacht erwacht war. Flic und Flac hatten ihn in die Praxis geschleppt. Doktor Müller war ein Hausarzt über Tag und nach Feierabend eine Art Streetdoc. Das hatte sich eher zufällig ergeben. Lange Zeit hatte er in mehreren Krankenhäusern als Chirurg gearbeitet um dann eine, wie er dachte, ruhige Hausarztpraxis in einem ruhigen Stadtteil seiner Heimat zu eröffnen. Eines Nachts wurde er Zeuge, wie Runner einen verletzten Chummer aus einem Wagen in ihre Wohnung schleppten. Der Mann blutete aus mehreren Wunden und seinen Chummern war anzusehen, dass sie keine Ahnung hatten, was sie tun sollten. BuMoNa hatte der Mann wohl nicht. So packte Doktor Müller seine Tasche und ging zu den Runnern. Erst wollten sie ihn davonjagen, doch als sie ihn erkannten, ließen sie die Waffen sinken und ihn gewähren. 

    So wurde er ein Streetdoc und erweiterte seine Praxis um einen kleinen Operationssaal. Irgendwann bekam eine seiner Arzthelferinnen mit, dass da noch was lief und heuerte für diesen Nachtdienst an. Die Nachtschichten wurden besser und in bar bezahlt. 

    „Drek! Mein Schädel!“ ächzte Forrest und fluchte dann „MANN, meine Jacke! Verdammter Drek! Das war mein Glücksbringer! Was haben Sie damit gemacht, Doc?“ 

    Lucia kam dem Doc zuvor. „Frag lieber, was Timotheus mit dir gemacht hätte, wenn er schon den Ärmel von der Jacke riss, als sei es Papier. Kannst froh sein, dass er nur die Jacke zerriss und nicht deinen Arm gebrochen hat, Chummer.“ 

    Forrest fluchte einige derbe Schimpfwörter und ließ sich dann Schmerztabletten geben. 

    „Ihr Arm sieht zwar aus, als sei ein PickUp drübergefahren, doch ist das nichts. Ihr Kopf ist so weit in Ordnung und, ja, ich weiß, ja, er tut weh. Sie haben eine Gehirnerschütterung. Dagegen hilft nun Ruhe, Wasser trinken und diese Schmerztabletten.“ 

    Am Empfang wurde es laut. Eine Tür wurde aufgeworfen, eine Arzthelferin rief etwas und die Tür zum Behandlungszimmer flog auf. Timotheus füllte den Rahmen aus und beugte sich durch. 

    Lucia, Flic und Flac und auch Forrest im Liegen zogen ihre Waffen. 

    „STOP!“ rief Doktor Müller sehr laut und sehr bestimmt. Alle hielten inne. Alle! 

    „Waffen runter! Timotheus! Du gibst Ruhe! Hier herrscht Marktfriede! Das weißt du! Auch deinen Arsch habe ich schon mal zusammengeflickt! Im wahrsten Sinne des Wortes. Hier wirst du keinen Unfrieden stiften, So Ka?“ 

    Nur das leise Ticken der Uhr an der Wand war zu hören. Ein Telefon klingelte. Dann schaute Timotheus auf Forrest herab und grollte: 

    „Vierundzwanzig Stunden hast du Ruhe!“ 

    Dann beugte sich der Troll unter der Tür durch und verschwand. Alle atmeten erleichtert aus und ließen die Waffen sinken. 

    Roswitha 

    „Lass ihn erst mal in Ruhe! Er ist es nicht wert und denk an das alte Sprichwort der Klingonen „Rache muss kalt genossen werden!“ 

    „Was sind Klingonen?“ 

    „Egal, kümmere dich um die Bande, Timotheus! Alles andere später.“ 

    Zähneknirschend gehorchte der Troll und ging aus dem Büro. 

    Roswitha schnaubte verächtlich aus. Timotheus war ein brauchbarer Handlanger. Leider aufbrausend und oft unberechenbar. Als Antreiber ihrer Bande war er nützlich. Für Botengänge und andere dreckige Jobs. Für mehr taugte er nicht. Sie entschied, ihn zu entsorgen, wenn sie ihn nicht mehr brauchen würde. Lange würde das nicht dauern. 

    Flic und Flac 

    In der Bude von Flic und Flac besprachen sie das weitere Vorgehen. Forrest warf sich stündlich Schmerztabletten ein und spülte sie mit Bier runter. 

    „Lucia, du fährst das Boot zum Leuchtturm und zurück. Mehr nicht. Ihr beide, Flic und Flac, sorgt dafür, dass Mutter und Tochter an Bord kommen. Ich werde sie weichklopfen und vorbereiten.“ 

    „Sag mal, Forrest,“ warf Lucia ein, „läuft eine Extraktion nicht normalerweise spontan als Überraschung?“ 

    „Ja, klar. Hier geht es nicht, weil die Göre mitmuss. Aus ihrem Haus können wir sie nicht entführen. So starte ich das mit den Drohbriefen. Das wird schon klappen. Vertrau mir. Ist doch nur eine Lehrerin.“ 

    Flic und Flac schnaubten verächtlich. Lucia zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst.“ 

    „Meine ich. Ein Chummer von mir verwanzt gerade ihre Bude und ihr Büro. Ist ein Schüler oder Student oder wie das da heißt von ihr. Er kann sie nicht ausstehen und hält sich für besser, weil sein Papa irgendwas Hohes bei der Marine ist. So bin ich auf dem Laufenden. Wie gesagt, ist nur so eine schlaue Schnalle. Ich habe ihr ordentlich Angst gemacht. Wird ganz einfach.“ 

    Leuchtturm Kiel 

    Forrest und seine kleine Gruppe erinnerten sich zu gut an seine Worte, als mehr Laserpunkte auf ihren Oberkörpern und Köpfen leuchteten, als ein Marienkäfer Punkte hat. Als das Hover auftauchte, die Drohnen sie umkreisten und ein junger Leutnant der Marine mit Sturmgewehr auf sie zukam, ihre Extraktionsopfer in den Arm nahm und sie verhaftete. Als eine Orkfrau und ein verdammt jung aussehender Ork, der die Orkrau Mama nannte, sie zu Boden warfen und sie mit Kabelbindern verschnürten. Als seine Marineleute und sogar mit verfluchten MET2000 Söldner sie abführten und nicht gerade sanft in ein Sturmboot warfen. 

    Doch, das war erst der Anfang. Die Verhöre dauerten Tage. Die Verhöre der Marine waren schon hart. Als dann die berüchtigte Sarah Wagner, die Leiterin des MET2000 Standortes, das Verhör persönlich übernahm, da wünschten sich alle, sie wären in ihrem kleinen Kieler Stadtteil geblieben. 

    Radio 

    „Rostock: In der letzten Nacht kam es in Rostock zu einem Einbruch mit Todesfolge in einer kleinen Forschungsfirma. Die Firma, vor drei Jahren gegründet, wollte in den Navigationsmarkt einsteigen und hatte erste Prototypen vorgestellt. Der Polizei zu Folge sind der Gründer des Unternehmens und sein Kompagnon ums Leben gekommen. 

    Strelasund …“ 

    MTFH – Besprechungsraum Zulu 

    Nervös rieb sich Fähnrich Dürenkopp die Hände. Noch nie war er in diesem speziellen Besprechungsraum gewesen. Die Teilnehmenden der Lehrgänge wurden normalerweise nie in solche Räume gebeten. 

    Nun, gebeten wurde er auch nicht. Und er wurde auch nicht aufgefordert, sich zu setzen. 

    “Fähnrich Dürenkopp! Wir haben den begründeten Verdacht, dass Sie an dem Versuch der Extraktion von Kapitänleutnant Wächter beteiligt waren! 

    Sie haben ihr Büro, ihre Tasche und sogar ihre Wohnung verwanzt!” 

    Der Fähnrich wurde blass. Schweiß stand auf seiner Stirn. 

    “Nein, Herr äh Löwitsch, ich” 

    “Schweigen Sie!” 

    Der Mann vor ihm, immerhin der Leiter der Marinetechnischen Abteilung der MTFH und Veteran diverser kritischer Einsätze schob ihm mit eisiger Mine ein Tablet zu. 

    Darauf lief ein Video, dass den Fähnrich zeigte, wie er kurz die Tasche von Sina Wächter ergriff und dabei etwas hineinfallen ließ. Dann wechselte das Bild und er war zu sehen, wie er das Büro von Frau Wächter betrat und verließ. Beim Betreten hatte er etwas in der Hand. Beim Verlassen nicht mehr. 

    Weitere Aufnahmen zeigten ihn, wie er über Tag das Haus von Sina Wächter betrat. 

    “Die Tech, die Sie verbaut haben, haben wir geprüft. Nicht nur, dass auf einigen lächerlicherweise Ihre Fingerabdrücke zu finden war, an allen Wanzen fanden wir Spuren Ihrer DNA. Was unsere Schamanin noch herausfand, möchte ich hier aus pietätsgründen nicht wiedergeben.” 

    Der Fähnrich krümmte sich unter der Last der Anschuldigungen. 

    “Ihre Laufbahn bei der Marine der Bundeswehr ist beendet! Ich verweise Sie hiermit von der MTFH! Der Fall wird von der Rechtsabteilung und vom MAD geprüft. Die Herren warten bereits draußen auf Sie. Hm? Ja, die beiden Herren in den schlechtsitzenden Anzügen.” 

    “Ich protestiere! Mein Vater ist auch bei der Marine! Ich habe gute Anwälte und” 

    “Die werden Sie auch brauchen! Und nun raus! Ihre Sachen werden Ihnen gebracht und Sie verlassen umgehend das Gelände!” 

    Als er wieder allein war, trat Sina Wächter aus einem Nebenzimmer. 

    “Danke, Wotan.” 

    Ende

    Ein paar Worte zur Geschichte

    Diese Kurzgeschichte ist nicht der Anfang von Shadowrun Kiel. Sie stellt kurz und schnell, oder „Schnell und dreckig“ :-), wichtige Charaktere vor und ich finde, sie ist ein guter Einstieg in die Geschichten von Shadowrun Kiel.

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